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OGH: Angleichung von Arbeiter:innen an Angestellte gilt auch für Hotellerie

OGH: Angleichung von Arbeiter:innen an Angestellte gilt auch für Hotellerie

Die Angleichung der Kündigungsregeln von Arbeiter:innen an die von Angestellten wurde angesichts der Corona-Krise auf 01. Oktober 2021 verschoben. Der Oberste Gerichtshof hat den Antrag der Fachverbände Hotellerie und Gastronomie in der WKÖ, er möge feststellen, dass die Kündigungsfristen von 14 Tagen für Arbeiter:innen in der Branche weiterhin wirksam sind, abgewiesen.

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Dr. Guenter Steinlechner
Artikel von Dr. Guenter Steinlechner

Jurist und Unternehmensberater, Spezialgebiet Arbeitsrecht

Im Folgenden stellen wir kurz die Gründe für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vor und zeigen, wie weiter vorzugehen ist.

 

Überlegungen des Obersten Gerichtshofes

Der Oberste Gerichtshof hat den Fachverbänden Hotellerie und Gastronomie darin beigestimmt, dass kollektivvertragliche Bestimmungen nicht ihre Geltung verlieren, wenn sie den Vorgaben einer neuen gesetzlichen Ermächtigung entsprechen. Mit anderen Worten: Wenn es zu einer Gesetzesänderung kommt und ein vor dieser Gesetzesänderung abgeschlossener Kollektivvertrag Regelungen enthält, die dieser Gesetzesänderung entsprechen, dann gelten diese Regelungen im Kollektivvertrag auch nach der Gesetzesänderung weiter und müssen nicht neu vereinbart werden.

Grundsätzlich war es daher zulässig, dass die Kollektivverträge für das Hotel- und Gastgewerbe die Kündigungsfristen von 14 Tagen über den Termin der gesetzlichen Angleichung der Kündigungsregeln der  Arbeiter:innen und der Angestellten am 01.10.2021 hinaus unverändert belassen haben. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof im Auge behalten, dass kürzere Kündigungsfristen in Kollektivverträgen nach § 1159 ABGB nur für Branchen vereinbart werden dürfen, in denen Saisonbetriebe überwiegen. Er hat daher überprüft, ob nach den vorgelegten Unterlagen die Hotellerie und  das Gastgewerbe eine solche Branche darstellen.

Berücksichtigt hat er dabei, dass

  • das Hotel- und Gastgewerbe als eine einheitliche Branche anzusehen ist,
  • es für das Überwiegen von Saisonbetrieben innerhalb der Branche auf die zahlenmäßige Mehrheit der Betriebe ankommt
  • ein regelmäßiges zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärktes Arbeiten Zeiten mit einem geringeren Arbeitsaufkommen voraussetzt
  • für das verstärkte Arbeiten auf einen erhöhten Personalstand abzustellen ist und
  • ein erheblich verstärktes Arbeiten bei einem Anstieg des Beschäftigtenstandes im Ausmaß von mindestens einem Drittel jedenfalls gegeben ist.

Anhand der von den Fachverbänden Hotellerie und Gastronomie vorgelegten Zahlen konnte der Oberste Gerichtshof allerdings nicht erkennen, dass im Hotel- und Gastgewerbe die Saisonbetriebe überwiegen und damit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung der  14-tägigen Kündigungsfristen erfüllt sind. Er hat den Antrag der Fachverbände daher abgewiesen.

Folgen dieser Entscheidung  

Der Oberste Gerichtshof sieht die Voraussetzungen dafür, dass im Hotel- und Gastgewerbe für Arbeiter:innen weiterhin die 14-tägigen Kündigungsfristen angewendet werden können, aktuell als nicht gegeben an. Ob in einem weiteren Feststellungsverfahren die Fachverbände Hotellerie und Gastronomie belegen können, dass im Hotel- und Gastgewerbe überwiegend Saisonbetriebe tätig sind, muss vorerst offenbleiben, ist aber derzeit irrelevant.

Das bedeutet: Bis zu einem etwaigen weiteren Urteil des Obersten Gerichtshofes, in dem dieser auf Basis einer neuen Sachlage anders entscheidet, sind im Hotel- und Gastgewerbe für alle Arbeiter:innen die Kündigungsfristen und Kündigungstermine für Angestellte anzuwenden.

  • Die Kündigungsfristen bei Arbeitgeberkündigung betragen 6 Wochen, nach 2 Jahren durchlaufendem Arbeitsvertrag 2 Monate, nach 5 Jahren durchlaufendem Arbeitsvertrag 3 Monate, nach 15 Jahren durchlaufendem Arbeitsvertrag 4 Monate und nach 25 Jahren durchlaufendem Arbeitsvertrag 5 Monate. Für diese Kündigungsfristen zählen auch Zeiten eines durchlaufenden Arbeitsvertrages vor dem 01.10.2021 mit!  Die Kündigungsfristen bei Arbeitnehmerkündigung betragen mangels abweichender Vereinbarung unabhängig von der Dauer des durchlaufenden Arbeitsvertrags ein Monat.
  • Die Kündigungstermine stellen den letzten Tag des Arbeitsvertrages dar, vor dem die jeweiligen Kündigungsfristen einzuhalten sind. Generell gelten nur 4 Kündigungstermine im Jahr, nämlich die Quartalsenden 31. März, 30. Juni, 30. September und 31. Dezember. Diejenigen Betriebe, die in ihren Arbeitsverträgen für den Fall einer solchen Entscheidung des OGH die Vereinbarung getroffen haben, dass bei Arbeitgeberkündigung als Kündigungstermine alle 15. und letzten Tage eines Kalendermonats in Frage kommen, können diese Vertragsklausel nunmehr nutzen. Sie haben somit 24 Kündigungstermine zur Verfügung, beginnend mit 15. Jänner, 31. Jänner, 15. Februar, 28./29. Februar, etc. Als Kündigungstermin für die Arbeitnehmerkündigung gilt ein jeder Monatsletzter.

Zu hoffen und zu wünschen ist, dass die Sozialpartner, nämlich die Fachverbände Hotellerie und Gastronomie auf der einen Seite, sowie die Gewerkschaft vida auf der anderen Seite, auf Basis dieser Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nunmehr Verhandlungen darüber aufnehmen werden, wie das Überwiegen der Saisonbetriebe in der Branche nachzuweisen ist und wie insbesondere den Saisonbetrieben bei der Gestaltung ihrer Arbeitsverträge, die zwangsläufig mit der Dauer der Saison begrenzt sind, geholfen werden kann. Denn der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen auf die ganze Dauer einer Saison (die nach der aktuellen Rechtsprechung des OGH nur gekündigt werden können, wenn die Dauer der Befristung und die Möglichkeit der Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stehen) ist in vielen Fällen nur schwer oder gar nicht möglich.

Überlegungen für die Praxis

Die nunmehr klare Rechtslage erfordert es, die Formulierungen zu Kündigungen in neuen, aber auch in bestehenden Arbeitsverträgen anzupassen. Dabei ist zwischen unbefristeten und befristeten Arbeitsverträgen zu unterscheiden.

In alle neuen unbefristeten Arbeitsverträge, aber auch in unbefristete Arbeitsverträge, die einvernehmlich abgeändert werden, weil zum Beispiel eine neue Position und/oder oder ein neuer Lohn vereinbart wird, sollte aufgenommen werden, dass

  • bis zu einer neuen abweichenden Entscheidung des OGH oder bis zu einer Neuregelung im Kollektivvertrag
  • für den/die Arbeitgeber:in die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 1159 Abs. 2 ABGB Anwendung finden und als Kündigungstermine gemäß § 1159 Abs. 3 ABGB jeder 15. und letzte Tag eines Monats gelten,
  • für den/ die Arbeiter: in die gesetzlichen Kündigungsfristen und Kündigungstermine gemäß § 1159 Abs. 4 ABGB gelten.

Bei der Ausstellung von befristeten Arbeitsverträgen gilt, dass unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung die Aufnahme von Kündigungsklauseln bis zu einer Dauer der Befristung von mindestens 6 Monaten unzulässig ist. Es besteht für Saisonbetriebe damit nur mehr die Möglichkeit, entweder einen befristeten Arbeitsvertrag (ohne Kündigungsklausel) abzuschließen oder einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu vereinbaren, der eine Kündigungsmöglichkeit zu jedem 15. und letzten Tag eines Monats enthält, und diesen rechtzeitig vor dem Ende der Saison zu einem der genannten, möglichst passenden Termine zu kündigen.

Beachten Sie außerdem: Haben Sie Arbeiter:innen seit 01.10.2021 unter Einhaltung einer 14-tägigen Frist gekündigt und sind seit dem Ende des Arbeitsvertrages weniger als 6 Monate verstrichen, so sind diesen Arbeiter:innen bei entsprechenden Nachforderungen Ansprüche auf Kündigungsentschädigung zu bezahlen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass diese Ansprüche unter Einhaltung der Frist von 6 Monaten am Arbeitsgericht eingeklagt werden. Bei der Kündigungsentschädigung handelt es sich um Schadenersatz in Höhe des Lohnes zuzüglich der Jahresremuneration und einer etwaigen Urlaubsersatzleistung für den Zeitraum, der bei einer Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfristen und Kündigungstermine für die Angestellten bis zum Ende des Arbeitsvertrages vergangen wäre.

Frühere Angleichungungen von Arbeiter:innen und Angestellten

Entgeltfortzahlung für Arbeiter:innen, Angestellte und Lehrlinge

  • Die Systematik der Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Arbeitsunfall von Angestellten wurde an das System der Arbeiter:innen angeglichen. Für Angestellte ist sohin nicht mehr nach Erst- und Wiedererkrankung, dem Topf 1 und Topf 2 oder der Sechsmonatsfrist zu unterscheiden.
  • Für Arbeiter:innen und Angestellte gilt seit 01.07.2018 bei Krankheit einheitlich bis zu 6 Wochen volle und weitere 4 Wochen halbe Entgeltfortzahlung pro Arbeitsjahr, wobei der volle Fortzahlungsanspruch dienstzeitabhängig auf bis zu 12 Wochen (nach 25 Dienstjahren) ansteigt.
  • Die Erhöhung von 6 auf 8 Wochen voller Fortzahlung gebührt bereits nach einem Dienstjahr (statt davor 5 Jahren).
  • Die Entgeltfortzahlung bei Lehrlingen wurde verdoppelt, d.h. bis zu 8 (statt zuvor 4) Wochen volle und 4 (statt zuvor 2) Wochen halbe Lehrlingsentgelt pro Lehrjahr.

Entgeltfortzahlung bei einvernehmlicher Auflösung im Krankenstand

Wird das Arbeitsverhältnis von Arbeiter:innen oder Angestellten während oder im Hinblick auf eine Dienstverhinderung wegen Krankheit oder Arbeitsunfall einvernehmlich beendet, behalten die Arbeitnehmer:innen den Entgeltfortzahlungsanspruch in gesetzlicher Höhe und Dauer, auch wenn das Arbeitsverhältnis früher enden sollte (analog zur bisherigen Regelung für Dienstgeberkündigung im Krankenstand).

Dieser Anspruch von Arbeitnehmer:innen auf Entgeltfortzahlung besteht nicht nur für den Fall einer einvernehmlichen Auflösung während eines laufenden Krankenstandes, sondern auch für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis wegen eines künftigen Krankenstandes, also vor allem wegen einer Operation oder einer Kur von Arbeitnehmer:innen, einvernehmlich aufgelöst wird.

Entgeltfortzahlung bei Verhinderung von Arbeitern aus wichtigem Grund

Schon bisher waren Arbeiter:innen den Angestellten gleichgestellt und haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung während verhältnismäßig kurzer Zeit aus wichtigen, ihre Person betreffenden Gründe.

Seit 01.07.2018 ist diese Regelung jedoch zwingend, auch für die Kollektivvertragsparteien. Daher können Fortzahlungsansprüche aus anderen wichtigen Gründen als jenen, die im Kollektivvertrag stehen, in Betracht kommen. Dies bedeutet, dass die Dienstverhinderungsgründe im Kollektivvertrag und die dabei angegebenen freien Tage zwar als typisch für den jeweiligen Dienstverhinderungsgrund, dennoch aber nur mehr als beispielhaft anzusehen sind.

Lockerung des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer:innen 50+

Für die Beurteilung der Frage, ob eine sozialwidrige Kündigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG durch Umstände in der Person des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin gerechtfertigt ist, gilt bei älteren Arbeitnehmer:innen ein erhöhter Schutz aufgrund besonderer Rücksichtnahme auf das Alter.

Dieser besondere Schutz entfällt für Arbeitnehmer:innen, die nach dem 30.06.2018 eingestellt wurden und zum Zeitpunkt der Einstellung das 50 Lebensjahr vollendet war. Damit soll die Zurückhaltung von Arbeitgeber:innen gemindert werden, ältere Personen einzustellen. Freilich gelten aber auch für diese älteren neueintretenden Personen (nach sechsmonatiger Dienstzeit in Betrieben mit mindestens 5 Arbeitnehmer:innen) die übrigen allgemeinen Regelungen über den Schutz vor sozialwidrigen Kündigungen.

Erhöhung der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung an KMU bis 10 Arbeitnehmer:innen

  • Wie bisher erstattet die AUVA Arbeitgeber:innen mit bis zu 50 Beschäftigten für die Dauer von maximal 6 Wochen pro Arbeitsjahr die Entgeltfortzahlung bei Krankheit (ab dem 11. Tag der Arbeitsunfähigkeit) oder Unfall (bei länger als dreitägiger Arbeitsunfähigkeit) im Ausmaß von 50 %.
  • Mit 01.07.2018 hat sich für Arbeitgeber:innen, die in ihrem Unternehmen durchschnittlich nicht mehr als 10 Arbeitnehmer:innen beschäftigen, der zu erstattende Betrag auf 75 % erhöht.

Stand: Mai 2022

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Mag. Maria Wottawa

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