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Vegetarisches Hotel der ersten Stunde
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Vegetarisches Hotel der ersten Stunde

Ein Pionier unter Österreichs vegetarischen Hotels ist das Strandhotel am Weissensee in Kärnten. Eigentümer Christian Halper und Direktor Raphael Brandstetter erzählen im Interview, wie die Entscheidung für diesen Weg gefallen ist und wie Gäste und Mitarbeiter:innen reagieren.

08. Mai 2024

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ÖHV: Sie haben mit einem rein vegetarischen Hotel Neuland betreten. Was hat Sie dazu getrieben?

Christian Halper: Ich bin selbst seit mehr als zehn Jahren begeisterter und überzeugter Vegetarier und habe beobachtet, dass die Nachfrage nach vegetarischen Speisen nicht nur im deutschsprachigen Raum wächst und wächst. Dazu kommen immer mehr Flexitarier, die sich bewusst für Tage mit pflanzenbasierter Kost entscheiden. Damit können wir ein noch breiteres Publikum erreichen und begeistern. Ziel ist es, unsere Gäste durch ein genussvolles Erlebnis von den Vorteilen einer solchen Ernährung zu überzeugen.

ÖHV: Wann sind Sie mit Ihrer Philosophie an die Öffentlichkeit getreten?

Christian Halper: Im Herbst 2017 haben wir uns dafür entschieden, das Strandhotel zu einem Vorreiter für bewusste Ernährung zu machen. Dies im Einklang mit der Philosophie des von mir gegründeten vegetarischen Restaurants TIAN, das gemeinsam mit dem TIAN Bistro (beide in Wien) kulinarische Maßstäbe setzt.

 

ÖHV: Wie haben Sie persönlich die Ernährungsumstellung erlebt?

Christian Halper: Seit ich 2012 auf vegetarische und 2018 fast gänzlich auf vegane Ernährung umgestiegen bin, beobachte ich an mir tiefgreifende emotionale und körperliche Verbesserungen. Diese Lebensqualität ist ein Geschenk, das ich leidenschaftlich gern mit unseren Gästen teile. Der Respekt vor dem Tierleben und der positive Effekt auf die Umwelt sind fest in der Identität unseres Hauses verankert.

 

ÖHV: Wie ein Blick auf die Website veggie-hotels.de zeigt, sind Sie nicht der einzige geblieben.

Christian Halper: Wir beobachten, wie das Angebot auch bei unseren Mitbewerbern stetig zunimmt. Es gibt zwar weltweit viele vegetarische Hotels, doch die Verbindung der Natur am Weissensee mit einem konsequent vegetarischen Küchenkonzept ist tatsächlich ein Novum. Jeder Mitbewerber, der sich für vegetarische Optionen entscheidet, ist für mich ein Grund zur Freude, denn er trägt zu einer bewussteren Gastro-Landschaft bei.

ÖHV: Wie reagieren die Gäste, speziell die Stammgäste?

Raphael Brandstetter: Für manche Stammgäste war es anfangs eine Umstellung, doch konnten wir sie alle im Laufe der Zeit begeistern. Mit unserem Konzept können wir auch Gäste aus Großbritannien und sogar aus den USA an den Weissensee locken.

Mittlerweile ist vegetarische und vegane Kost nicht mehr nur ein Trend, sondern in Österreich gut etabliert.

ÖHV: Sind auch Ihre Mitarbeiter:innen Vegetarier?

Raphael Brandstetter: Dank unserer Ausrichtung ziehen wir Mitarbeitende an, die sich mit unserer Philosophie identifizieren und auch selbst vegan oder vegetarisch leben. So ist das Interesse, sich mit eigenen Ideen einzubringen, entsprechend hoch. Das macht sich auf vielen Ebenen bezahlt. Wir beschäftigen eigene Gärtner:innen und Landschaftsplaner:innen, die einen Permakultur-Garten angelegt haben. Unsere Köche und Köchinnen freuen sich darüber.

 

ÖHV: Wie läuft die Schulung des Küchenteams?

Raphael Brandstetter: Die professionelle Mitarbeiter:innen-Schulung ist ein zentrales Thema. Dabei sind auch Quereinsteiger:innen willkommen. So haben wir beispielsweise einen Mitarbeiter, der vor seiner Kochkarriere bereits als Anwalt gearbeitet hat. Heute ist er unser Souschef und studiert nebenbei Ernährungswissenschaften. Wir halten nahezu alle Arbeitsschritte fest, um eine saubere und schnelle Einschulung zu gewährleisten. Jede Führungskraft pflegt ein eigenes Handbuch über alle relevanten Schulungsthemen. Dank unserer Holding gibt es viel Austausch und Unterstützung mit den TIAN-Restaurants. Von deren Kulinarik und Sommeliers (Sommelier-Team des Jahres 2023) bekommen wir regelmäßig wertvolle Inputs.

 

ÖHV: Verändern sich die Preise durch die Umstellung des Speisenangebots?

Raphael Brandstetter: Praktisch sehe ich bei genauerem Hinsehen keine großen Unterschiede zu Betrieben mit einem ähnlichen Qualitätsanspruch.

ÖHV: Wird mehr oder weniger konsumiert?

Raphael Brandstetter: Generell kann man nicht sagen, dass mehr oder weniger gegessen wird. Aber natürlich verschiebt sich die Menge der jeweils benötigten Lebensmittel. So brauchen wir beispielsweise im Sommer und Herbst in unserem Strandcafé große Mengen an Beyond Meat Produkten für unsere vegetarischen Burger und Hot- Dogs. Natürlich besteht ein größerer Bedarf an Hülsenfrüchten und Gemüsesorten. Viele unserer Gäste, die nicht rein vegetarisch oder vegan leben, staunen über die Vielfalt unserer Produkte. Die an Vegetarier oft gestellte Frage „Isst du dann nur Beilagen?“ wird bei uns eindrucksvoll widerlegt.

 

ÖHV: Wie läuft der Einkauf?

Raphael Brandstetter: Als BIOS Austria-Betrieb bestellen wir nahezu alle Waren bei Bio Gast, bei Obst und Gemüse arbeiten wir mit der Firma Kärnten Taufrisch / Robitsch Obst und Gemüse GmbH zusammen. Dies hält die Lieferwege so kurz wie möglich.

 

ÖHV: Viel Ehr´ durch Hauben, Gabeln und Schnecken.

Raphael Brandstetter: Als zu 100 % bio-zertifizierter Betrieb werden wir fachlich anerkannt. So hat uns Gault&Millau mit zwei Hauben und Falstaff mit zwei Gabeln ausgezeichnet. Das Strandhotel ist auch Teil der Slow Food Kärnten Initiative und wurde 2023 mit vier Schnecken geehrt. Auch nehmen wir am Programm der AMA-Genussregion Kärnten teil: Wir beziehen die meisten Produkte aus einem Umkreis von 100 km. Dazu kommen spezielle Verarbeitungstechniken wie Fermentieren, Einlegen oder langes Schmoren, was allerdings einen hohen Personaleinsatz erfordert.

 

ÖHV: Vielen Dank für das Gespräch

Hotel und Restaurant mit Vision

  • Das in den 50er-Jahren gegründete Strandhotel am Weissensee ist ein 4*S-Haus mit 30 Zimmern, 18 Appartements und einer „See-Villa“. Es beschäftigt 35 bis 40 Mitarbeiter:innen und ist von 26.12. bis 02.03. sowie von 20.04. bis 01.11.2024 geöffnet. Ausbaupläne betreffen die Revitalisierung des Restaurants. Mit der Vision, einen Ort für hochwertiges gesundes vegetarisches Essen zu schaffen, gründete Christian Halper 2011 das erste TIAN (chinesisch für „Himmel“) Restaurant in der Wiener Innenstadt (Himmelpfortgasse 23). Zu diesem gesellte sich 2015 das TIAN Bistro am Wiener Spittelberg (Schrankgasse 4).

Ihre Ansprechpartnerin

Mag. Maria Wottawa

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