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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Arbeit & Fachkräfte

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Prozessmanagement hilft dabei zu erkennen, wo in einem Unternehmen die Fehler passieren, welche Prozesse welche Kosten verursachen und wieviel Zeit sie brauchen. Genau hinzuschauen zahlt sich aus, so Consultant Dr. Gregor Hoch.

21. Februar 2023

Lesezeit: 

Dr. Gregor Hoch
Artikel von Dr. Gregor Hoch

Beim Prozessmanagement werden einzelne Vorgänge im Unternehmen in ihre Schritte zerlegt und Handgriff für Handgriff analysiert. Solche Vorgänge könnten zum Beispiel das Abarbeiten einer Reservierungsanfrage, das Zubereiten eines Desserts oder das Reinigen eines Zimmers sein. Technischer Fortschritt, Arbeitskräftemangel, Umbauten oder Änderungen im Führungsteam sind gute Gründe, um sich die operativen Vorgänge in hohem Detail anzusehen, Effizienzgewinne zu suchen und den Prozess dann auch zu dokumentieren.

Was bringt mir Prozessmanagement?

Manchmal taucht die Befürchtung auf, dass Gäste oder Mitarbeiter:innen überfordert oder irritiert wären, wenn sich an einem Prozess etwas änderte. Ganz klar, eingearbeitete Prozesse geben Sicherheit. Trotzdem zeigt sich in der Praxis, dass viele Prozesse nur deshalb funktionieren, weil man bereit ist, um den Prozess „herumzuarbeiten“, also Dinge zu tun, die man nur deshalb tun muss, weil der Prozess nicht macht, was er soll. Ist es bei Ihnen schon mal vorgekommen, dass mit dem Taschenrechner ausgerechnet wurde, wie der Preis für ein 3-jähriges Kind ist, weil die Preise für Kinder nicht richtig im PMS hinterlegt oder so kompliziert sind, dass man keine allgemeine Vorgabe oder Rechenregel geben kann?

Natürlich macht der einzelne Schritt keinen großen Unterschied bei einer einzelnen Reservierung. Aber bei einigen hundert oder tausend? Und was passiert in der Fehlerkorrektur, also wenn beispielsweise aufgrund eines menschlichen Fehlers der falsche Preis verschickt wurde? Das addiert sich schnell zu einer soliden Ineffizienz aufgrund der notwendigen Kontroll- oder Korrekturschleifen.

Wie fange ich damit an?

Prozessmanagement bedeutet hinzuschauen, wie ein Prozess in der Realität gemacht wird – und zwar von den Leuten, die ihn tagtäglich anwenden. Mit all den Fehlern, Korrekturschleifen und Irrtümern. In einem Betrieb konnten wir beispielsweise feststellen, dass der Serviceprozess im Gastgarten im Normalfall gut lief, aber bei Fehlern enorme Korrekturen nötig wurden: Es kam in 5 % der Fälle dazu, dass Bestellungen an den falschen Tisch geliefert wurden. Die Bestellung kam dann zurück in die Küche, musste neu gemacht werden, die Gäste, welche die Bestellung eigentlich hätten bekommen sollen, mussten warten, die Küche musste die Reihenfolge der Gerichte notgedrungen umwerfen, um die Bestellung dazwischen zu schieben, usw. usf.

Wie kam es zu diesen Fehlern? Je nach Auslastung und Wetterlage wurde eine andere Anzahl an Tischen vorbereitet. Dadurch haben sich die Tischnummern immer wieder geändert, und daher haben die Speisenträger:innen die Gerichte an den falschen Tisch gebracht.

5 % Fehlerquote klingt nach wenig, bedeutet aber, dass jede zwanzigste Bestellung falsch läuft.

Dr. Gregor Hoch
Hotel Sonnenburg

Eine Änderung der Tischvorbereitungslogik, sowie eine Nachschulung, konnten die Fehlerrate auf 3 % drücken. Diese Maßnahme hat insgesamt die Gesamtkosten, mitsamt Gästekompensationen, verschwendeter Waren und Arbeitszeit, um 14 % reduziert. Weniger Stress, weniger notwendige Arbeitskraft und glücklichere Gäste waren die Folge.

Wo muss ich hinschauen?

In jedem Betrieb gibt es hunderte Einzelprozesse, und manche davon sind enorm komplex. Als erstes müssen diejenigen Prozesse identifiziert werden, die den größten Beitrag zur Wertschöpfung liefern. Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Entweder ein Prozess tritt sehr oft auf und damit rechnet sich schon eine sehr kleine Verbesserung. Oder die Prozesse sind umsatzkritisch und könnten bei einer Verbesserung zu mehr Umsatz beitragen. Oder ein Prozess verursacht hohe Kosten, eventuell auch, weil er oft schiefläuft.

Meist sind das der Zimmerreservierungsprozess, die Bestellungen und manche F&B-Prozesse. Das kann in Ihrem Betrieb aber völlig anders sein, und jedenfalls darf der Gast dabei keinen merkbaren oder zumindest keinen großen Qualitätsverlust feststellen. Beispielsweise ist das manuelle Schaben von Butterröllchen zweifellos schön, aber der Gast wird bei schön geschnittenen Butterscheiben vermutlich eine Änderung, aber keinen Qualitätsverlust wahrnehmen.

Als nächstes muss klar werden, was genau der Grund für diesen Prozess ist. So ist der Reservierungsprozess beispielsweise nicht direkt dafür da, Nächtigungen zu maximieren, sondern die Wahrscheinlichkeit, dass der Gast das vom Hotel erstellte Angebot annimmt.

Und nun überlegt man die einzelnen eindeutigen Schritte, Handgriffe, Wege, Suchzeiten und vor allem die Verzweigungen. Wenn A passiert, mache ich X, wenn B passiert, mache ich Y, und wenn was schiefgeht, mache ich Z. Insbesondere wer sich dann noch überlegt, wie lange die einzelnen Schritte dauern, wer die Aufgaben tatsächlich abarbeitet und was diese Person kostet, kommt schnell auf die wesentlichen Fragen: Wenn ich den Prozess ein wenig vereinfache, um wie viel schneller wird er? Und wie viele  Mitarbeiter:innen müssen tatsächlich gerade im Dienst sein, um diese Aufgaben zu erledigen?

Diese Fragen helfen dabei besonders:

  • Was machst Du da genau?
  • Wie lange dauert das?
  • Warum machst du das so?
  • Was brauchst du dazu?
  • Wen brauchst du dazu?
  • An welchem Punkt ist der Schritt abgeschlossen und was kommt als nächstes?
  • Welche Information ist die Basis deiner Entscheidung, es genau so zu machen?

So in die Tiefe vorzudringen, bedeutet Zeit zu investieren und sich auch einzugestehen, dass nicht alle Prozesse so glatt laufen wie sie sollten. Es kann enorm mühsam sein, immer tiefer zu bohren, aber auch enorm lohnend.

Prozessmanagement ist nicht abstrakt und es ist eine hochgradig operative Aufgabe. Viele Hotelièren und Hoteliers überlegen Schritt für Schritt, was zu tun ist und haben es einfach nicht Prozessmanagement genannt. Auch wenn es Spezialist:innen sowie Spezialsoftware gibt, um Prozesse zu dokumentieren, zu visualisieren und zu simulieren, so ist der wesentlichste Teil der Arbeit doch das genaue Hinschauen, und das immer tiefere Nachfragen. Dafür reichen ein großer Stapel Post-Its, Stifte und eine leere Wand! Los geht´s – vielleicht finden auch Sie einige „Butterrollen“…

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