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Fürsorgepflicht und Evaluierung psychischer Belastungen - notwendiges Übel oder Chance?
Mitarbeiter:innen

Fürsorgepflicht und Evaluierung psychischer Belastungen - notwendiges Übel oder Chance?

Jedes Team profitiert von mental gesunden Mitarbeiter:innen. Doch die psychischen Herausforderungen steigen und Führungskräfte fragen sich: Wo beginnt meine Verantwortung und wo endet sie? Welche rechtlichen Aspekte hat die "Fürsorgepflicht"?

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Hotelteams sollen immer gut aufgelegt und resilient sein, für gute Stimmung sorgen und diese an die Gäste weitergeben. So wäre das Wunschszenario. In der Realität bringen unsere Mitarbeitenden viel Freude am Job mit, manche sind jedoch privat sehr stark gefordert oder von einer psychischen Erkrankung betroffen. Die Führungskraft erkennt, dass es Probleme gibt, manchmal bitten die Mitarbeitenden direkt um Hilfe. Welche Pflichten haben Arbeitgeber:innen in Bezug auf einen psychologisch sicheren, gesundhaltenden Arbeitsplatz?

Dr. Cornelia Martens, Gründerin des Employee Assistance Program Instituts (EAP-Institut), führt uns durch das Thema Fürsorgepflicht in der Hotellerie und den daraus resultierenden Verantwortungen. Und sie erzählt von Hilfestellungen, die sich Arbeitgeber:innen zunutze machen können – dazu mehr in unserem Artikel:


Wo liegt die Verantwortung der Führungskräfte?

Klar ist, dass keine Führungskraft gleichzeitig psychologische:r Berater:in sein kann. Das ist keinesfalls gefordert. Was nötig ist, ist ein Erkennen, wenn sich das Verhalten des Mitarbeitenden zum Negativen verändert und das Wissen darüber, wie ich als Führungskraft, diese Veränderung ansprechen kann  und soll ohne Grenzen zu verletzen. Dies ist eine durchaus gut erlernbare Fähigkeit!

Kurz gesagt, wenn es um die psychische Belastung von Mitarbeitenden geht, liegt die Verantwortung von Arbeitgeber:innen darin, die möglichen Belastungen, die am Arbeitsplatz entstehen können, zu evaluieren und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung zu schaffen:

  • verpflichtend: Durchführung eines Projektes zur Arbeitsplatzevaluierung der psychischen Belastungen
  • empfehlenswert: Schulung der Führungskräfte-Ebene, damit psychologische Auffälligkeiten erkannt und angesprochen werden können.

​​​​​​​Unterstützende Angebote wie ein Employee Assistance Programs (EAP) sind hier nachweislich eine wesentliche Hilfestellung, sowohl für die Organisation als auch für Führungskräfte und Mitarbeitende.


Was ist nun die "Fürsorgepflicht" laut Arbeitsinspektorat?

Arbeitgebende sind verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, welche die Erwerbsarbeit betreffen, zu sorgen.

§ 2 Abs. 7 ASchG: „Unter Gefahren im Sinne dieses Bundesgesetzes sind arbeitsbedingte physische und psychische Belastungen zu verstehen, die zu Fehlbeanspruchungen führen."
§ 2 Abs. 7a ASchG: „Unter Gesundheit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist physische und psychische Gesundheit zu verstehen."

Gefahren können durch physische, durch psychische (psychosoziale, kognitive oder psychoemotionale) Belastungen und durch deren Wechselwirkung entstehen. Die Arbeitgeber:innen sind im Sinne der Fürsorgepflicht verpflichtet regelmäßige bzw. anlassbezogene Evaluierungen der psychischen Belastungen (im Betrieb) vorzunehmen.


Worin liegen die Chancen für den Betrieb?

Die Evaluierung zeigt dem Team, dass dem Betrieb die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden wichtig ist. Das Projekt schafft die Möglichkeit für gezielte Gespräche, die in den meisten Fällen nicht da wäre. Mit einer guten Begleitung werden die gemeinsamen Ziele des Teams definiert und ggf. neue Werte geschaffen. 

Nach der strukturierten Evaluierung werden Maßnahmen für einen psychologisch sicheren und gesunderhaltenden Arbeitsplatz erarbeitet. Folgende Aspekte sind dabei wichtig:

  1. Offene Kommunikation: Mitarbeitende können ohne Furcht vor Zurückweisung oder Kritik ihre Gedanken und Ideen mitteilen. Dies fördert eine transparente Kommunikation und den Austausch von verschiedenen Perspektiven.
  2. Respekt und Empathie und Wertschätzung: Eine Kultur des Respekts und der Empathie wird gefördert, in der individuelle Unterschiede anerkannt und geschätzt werden. Wertschätzung auszudrücken ist wie Salz in der Suppe! Bereits eine kleine Brise reicht: ein einfaches Dankeschön oder Lob kann viel bewirken und wirkt motivationssteigernd.
    Wussten Sie, dass neuesten Studien zufolge, bereits ein paar Sekunden oder wenige Minuten von positiver Zuwendung an den Einzelnen am Tag ausreichen, um bei Ihrem Gegenüber das Gefühl von Wertschätzung, des Gesehenwerdens und der Anerkennung auszulösen?
  3. Positive Fehlerkultur: Mitarbeitende sollten das Recht haben, Fehler zu machen, ohne dafür bestraft zu werden. Eine Führungskraft kann eine Kultur fördern, in der aus Fehlern gelernt wird und in der konstruktive Verbesserungen im Vordergrund stehen.
  4. Klare Erwartungen und Ziele: Eine klare Kommunikation von Erwartungen und Zielen schafft Vertrauen und Orientierung. Mitarbeitende sollten verstehen, was von ihnen erwartet wird, und wie ihre Leistungen gemessen werden.
  5. Beteiligung an Entscheidungen: Mitarbeitende, die das Gefühl haben, in Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden, sind eher dazu bereit, sich mit den Zielen des Unternehmens zu identifizieren. Eine Führungskraft kann partizipative Entscheidungsprozesse fördern.

Noch während der Evaluierung wird allen im Team klar: Jeder und jede ist gleichzeitig verantwortlich für einen aktiven Beitrag zum Wohlgefühl!
Wie alle ihren Beitrag leisten können, wird dann im Maßnahmenplan erarbeitet und umgesetzt.

Dr. Martens Cornelia
EAP-Institut management consultancy GmbH

Fragen, die oft rund um die Fürsorgepflicht auftauchen:

Ja, die Durchführung ist verpflichtend und wird vom jeweiligen Arbeitsinspektorat überprüft. Je nach Unternehmensgröße gibt es verschiedene Methoden der Evaluierung (Fragebögen, Gruppenverfahren)

Die Evaluierung soll laut Gesetz in „regelmäßigen Abständen“ ( im Gesetz findet sich keine konkrete Zeitangabe) erfolgen.

Aus der Befragung der Mitarbeitenden werden vom Arbeitgeber/der Arbeitgeberin Maßnahmen abgeleitet, um die Belastungsfaktoren zu reduzieren. Die Umsetzung der Maßnahmen wird ebenso wie der Zeitplan vom Unternehmen selbst erfasst und überprüft.

Die externe Begleitung bzw. Durchführung der Evaluierung ist in mehrfacher Hinsicht sinnvoll: sie spart Zeit und Ressourcen und Expert:innen haben ein tieferes Verständnis und Wissen über die geforderten Abläufe und können die Anonymität der Evaluierungsergebnisse bestmöglich gewährleisten.

Stressreaktionen, Burnout, Ermüdung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm Probleme und Rückenbeschwerden uvm.

Neben der Schulung der Führungskräfte im Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitenden, stellen Employee Assistance Programs (EAP) eine wirkungsvolle Maßnahme dar, um Mitarbeitenden eine anonyme und effiziente Unterstützung zu bieten und ihnen somit den Kopf frei für die Arbeit zu halten. (In den USA haben faste alle großen Hotels einen EAP-Anbieter an ihrer Seite.) Dabei haben Mitarbeitende und Personen im selben Haushalt die Möglichkeit anonym und vertraulich Coaching und psychologische Beratung in Anspruch zu nehmen, um mental gesund zu bleiben.

Vielen Dank Frau Dr. Martens für die Ausführungen!

Ihr Mitglieder-Vorteil in 2024:

ÖHV-Mitglieder können die Wellbeing Plattform vom EAP-Institut in 2024 kostenfrei nutzen, nur die Einrichtungsgebühr von 190 Euro pro Hotel wird verrechnet!

Mehr dazu auf der EAP-Institut Beraterseite.


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Mag.(FH) Kristin Oberweger

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