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Praktikantinnen und Praktikanten

Praktikantinnen und Praktikanten

Was versteht man unter Praktikantinnen und Praktikanten, wo liegt der Unterschied zu Ferialarbeiter:innen und was müssen Sie bei der Beschäftigung beachten? Wie ist zu entlohnen und welche Ansprüche haben sie?

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Dr. Guenter Steinlechner
Artikel von Dr. Guenter Steinlechner

Jurist und Unternehmensberater, Spezialgebiet Arbeitsrecht

Unter Praktika sind in der Hotellerie üblicherweise Pflichtpraktika zu verstehen, die dem Kollektivvertrag für Arbeiter:innen bzw. dem Kollektivvertrag für Angestellte unterliegen. Der Kollektivvertrag für Arbeiter:innen bezeichnet diese Pflichtpraktika etwas missverständlich als Ferialpraktika, der Kollektivvertrag für die Angestellten einfach als „Praktikanten“.

Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten im Arbeiterbereich

Unter Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten versteht der Kollektivvertrag für Arbeiter:innen ausschließlich Schüler:innen aus bestimmten Schulen, die aufgrund schulrechtlicher Vorschriften ein Betriebspraktikum absolvieren müssen. Die im Kollektivvertrag angeführten Schulen sind Mittlere und Höhere Schulen, Fachschulen, Hauswirtschaftsschulen, Höhere Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe und Fachmittelschulen.

Bitte beachten Sie

  • In Abschnitt 19 des Kollektivvertrags für Arbeiter:innen wird zusätzlich festgehalten, dass die Einstellung von Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten auf die Zeit der Schulferien zu beschränken ist. Diese Einschränkung des Kollektivvertrages wird derzeit so verstanden, dass unter Schulferien nicht nur die „klassischen“ Ferienzeiten zu verstehen sind, sondern alle Zeiten, in denen die Schule oder ein etwaiger Lehrgang geschlossen sind und die Schüler:innen frei haben (Kommentar zu den Kollektivverträgen für das Hotel- und Gastgewerbe, Steinlechner/Weiß-Koppensteiner, Manz, 2. Aufl.).

Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten im Angestelltenbereich

Unter Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten versteht der Kollektivvertrag für Angestellte Schüler:innen oder Studierende, die aufgrund schulrechtlicher Vorschriften ein Betriebspraktikum absolvieren müssen. Die Ausbildung an einer bestimmten, im Kollektivvertrag angeführten Schule ist im Gegensatz zu den Arbeiterinnen udn Arbeitern nicht erforderlich. Pflichtpraktika im Angestelltenbereich können auch außerhalb der klassischen Schulferien absolviert werden.

Inhalt von Pflichtpraktika

Der Inhalt des einzelnen Pflichtpraktikums ergibt sich aus den Schulvorschriften. Wird von der jeweiligen Schulvorschrift primär das Erlernen praktischer Fähigkeiten, wie Servieren, Kochen, etc. verlangt, unterliegt dieses Pflichtpraktikum dem Kollektivvertrag für Arbeiter:innen. Wird von der jeweiligen Schulvorschrift hingegen das Erlernen kaufmännischer Fähigkeiten verlangt, unterliegt dieses Pflichtpraktikum dem Kollektivvertrag für Angestellte. Das kann von Schuljahr zu Schuljahr auch wechseln.

Beispiel

HASCH-Schüler:innen dürfen in einem Hotel primär im kaufmännischen Bereich eingesetzt werden. Dieser kaufmännische Bereich umfasst die Rezeption, das Back Office, wie Buchhaltung, Lohnverrechnung, Personalverwaltung, sowie die Geschäftsleitung. Denkbar ist auch, dass HASCH-Schüler:innen Führungskräfte im operativen Geschäft, also in der Küche oder im Service, begleiten und unterstützen. Eine aktive Tätigkeit von HASCH-Schülerinnen und -Schülern als Küchenmitarbeiter:innen oder als Servierkräfte kommt hingegen nicht in Frage, weil hier weniger kaufmännische und persönliche Kompetenzen, sondern vielmehr praktisch-handwerkliche Kompetenzen mit fachlichem Spezialwissen gefragt sind.

Bezahlung von Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 04.10.2001 ausgesprochen, dass Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten im Arbeiterbereich Arbeitnehmer:innen sind und laut Kollektivvertrag Anspruch auf ein reduziertes Entgelt in Höhe des jeweils geltenden Lehrlingseinkommens für das mit dem jeweiligen Schuljahr korrespondierende Lehrjahr haben. Pflichtpraktika, die zwischen zwei Schuljahren geleistet werden, sind dem jeweils vorangegangenen Schuljahr zuzurechnen.

Das bedeutet daher:

Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten im Arbeiterbereich haben während bzw. nach

  • dem ersten Schuljahr Anspruch auf ein Entgelt in der Höhe des Lehrlingseinkommens für das 1. Lehrjahr,
  • dem zweiten Schuljahr Anspruch auf ein Entgelt in der Höhe des Lehrlingseinkommens für das 2. Lehrjahr,
  • dem dritten Schuljahr Anspruch auf ein Entgelt in der Höhe des Lehrlingseinkommens für das 3. Lehrjahr,
  • dem vierten Schuljahr Anspruch auf ein Entgelt in der Höhe des Lehrlingseinkommens bei Doppellehre im 4. Lehrjahr.

Auch im Angestelltenbereich sind nach derzeitiger überwiegender Rechtsmeinung Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten Arbeitnehmer:innen. Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten haben Anspruch auf ein Entgelt, mindestens in der Höhe des Lehrlingseinkommens für das 2. Lehrjahr.

Das bedeutet daher:

Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten im Angestelltenbereich haben während bzw. nach

  • dem ersten und zweiten Schuljahr Anspruch auf ein Entgelt in der Höhe des Lehrlingseinkommens für das 2. Lehrjahr,
  • dem dritten Schuljahr Anspruch auf ein Entgelt in der Höhe des Lehrlingseinkommens für das 3. Lehrjahr,
  • dem vierten Schuljahr Anspruch auf ein Entgelt in der Höhe des Lehrlingseinkommens bei Doppellehre im 4. Lehrjahr.

Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten, die für ihre Ausbildung eine Reifeprüfung, Berufsreifeprüfung oder Studienberechtigungsprüfung als Voraussetzung benötigen, haben Anspruch auf Entgelt in der Höhe des Lehrlingseinkommens für das 4. Lehrjahr.

Zu den obigen Bezügen kommt noch die für die Dauer des Praktikums gebührende anteilige Jahresremuneration (Sonderzahlungen) lt. Kollektivvertrag. Bei Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten, die als Arbeiter:innen eingesetzt werden, gebührt diese nur dann, wenn das Praktikum ununterbrochen zumindest 2 Monate dauert.

Bitte beachten Sie

  • Lassen Sie sich vor der Aufnahme eines Pflichtpraktikanten oder einer Pflichtpraktikantin eine entsprechende Bestätigung der Schule vorlegen. Sollte kein nachweisbares Pflichtpraktikum vorliegen, ist der/die betreffende „Praktikant:in“ als normale:r Mitarbeiter:in im anzuwendenden Kollektivvertrag, üblicherweise in Lohn- oder Beschäftigungsgruppe 5, einzustufen.

Arbeitsrechtliche Ansprüche

Da Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten Arbeitnehmer:innen sind, können sie alle arbeitsrechtlichen Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag geltend machen. Dies betrifft vor allem die Ansprüche auf Urlaub und auf Entgeltfortzahlung im Krankenstand bzw. bei Dienstverhinderung aus wichtigem Grund. Der Anspruch auf Urlaub entsteht während des Praktikums aliquot und umfasst bei einer 5-Tage-Woche 2 Arbeitstage pro Monat.

Schutzbestimmungen für Praktikantinnen und Praktikanten

Wie hoch sind die täglichen und wöchentlichen Grenzen der Arbeitszeit? Wie lang dürfen Praktikanten am Abend eingesetzt werden, wie oft an Sonntagen?

Wie Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten eingesetzt werden dürfen, hängt davon ab, ob sie Jugendliche sind, auf die das Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz (KJBG) Anwendung findet, oder ob sie Erwachsene sind, auf die nur die allgemeinen zeitlichen Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes Anwendung finden. Jugendliche sind Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, danach gelten sie als Erwachsene.

Grenzen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit

Die tägliche Arbeitszeit von Jugendlichen darf 8 Stunden nicht überschreiten. Um eine längere Freizeit zu erreichen, die mit der Wochenfreizeit zusammenhängen muss, darf sie auf 9 Stunden ausgedehnt werden. Die wöchentliche Arbeitszeit darf 40 Stunden nicht überschreiten.

Werden Jugendliche zu Vor- und Abschlussarbeiten herangezogen, so ist die auf diese Arbeiten entfallende Zeit grundsätzlich durch ein früheres Dienstende bzw. einen späteren Dienstbeginn auszugleichen. Dieser Ausgleich hat in der gleichen, spätestens in der folgenden Kalenderwoche stattzufinden.

Für Jugendliche über 16 Jahre darf die zulässige Dauer der Arbeitszeit um eine halbe Stunde täglich ausgedehnt werden für:

  • Arbeiten zur Reinigung und Instandhaltung, soweit sich diese Arbeiten während des regelmäßigen Betriebes nicht ohne Unterbrechung oder erhebliche Störung ausführen lassen,
  • Arbeiten, von denen die Wiederaufnahme oder das Aufrechterhalten des vollen Betriebes arbeitstechnisch abhängt,
  • Arbeiten zur abschließenden Bedienung von Kundinnen und Kunden einschließlich der damit zusammenhängenden notwendigen Aufräumungsarbeiten.

Insgesamt darf die Arbeitszeit damit in der Woche um maximal 3 Stunden ausgedehnt werden. Die tägliche Arbeitszeit darf dabei neuneinhalb Stunden nicht überschreiten.

Tägliche Ruhezeit und Nachtarbeit

Nach Ende der täglichen Arbeitszeit ist Jugendlichen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens zwölf Stunden zu gewähren.

Jugendliche dürfen bis 20:00 Uhr, ab dem 16. Geburtstag unregelmäßig an einzelnen Tagen bis 23:00 Uhr beschäftigt werden. Sollen solche Jugendliche regelmäßig bis 23:00 Uhr eingesetzt werden, müssen sie davor eine Jugendlichenuntersuchung oder eine vergleichbare ärztliche Untersuchung absolviert haben.

Wöchentliche Ruhezeit und Sonntagsarbeit

Jugendliche, die im Hotel- und Gastgewerbe arbeiten, haben Anspruch auf eine ununterbrochene wöchentliche Ruhezeit von zwei zusammenhängenden Kalendertagen. Dies gilt nur dann nicht, wenn

  • eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 43 Stunden, in die der Sonntag fällt, eingehalten wird und
  • in die folgende Arbeitswoche ein betrieblicher Sperrtag fällt, an dem der Jugendliche ebenfalls frei hat.

Jugendliche dürfen abwechselnd jeden 2. Sonntag während des Praktikums arbeiten. Als Alternative dazu sehen die Kollektivverträge für Arbeiter:innen und Angestellte vor, dass jugendliche Pflichtpraktikantinnen und -praktikanten zwar an aufeinanderfolgenden Sonntagen beschäftigt werden können, die Hälfte der in die Zeit des Pflichtpraktikums fallenden Sonntage jedoch frei sein muss.

Arbeitgeber:innen haben dem zuständigen Arbeitsinspektorat jede:n Jugendliche:n anzuzeigen, der an aufeinanderfolgenden Sonntagen beschäftigt werden soll. Die Anzeige an das Arbeitsinspektorat hat spätestens zwei Wochen vor Beginn des Praktikums zu erfolgen, ansonsten ist eine solche Beschäftigung verboten und damit strafbar.

Bitte beachten Sie:

Die Regeln über die wöchentliche Ruhezeit finden keine Anwendung, wenn Praktikantinnen und Praktikanten lediglich neben dem Schulbesuch unter der Woche am Wochenende arbeiten, weil die Schulzeit keine Arbeitszeit darstellt. Allerdings sind auch in einem solchen Fall die obigen Einschränkungen und Meldepflichten im Falle von Sonntagsarbeit zu beachten.

Was gilt, wenn das Praktikum doch nicht möglich ist?

Grundsätzlich ist zu prüfen, ob gemäß Arbeitsvertrag eine Probezeit gilt. Ist dies der Fall, weil die Probezeit vereinbart ist bzw. weil eine Probezeit bei Arbeiterinnen und Arbeitern mit unbefristeten Arbeitsverträgen laut Kollektivvertrag anzuwenden ist, kann der Arbeitsvertrag vor seinem Beginn, also vor Arbeitsantritt, aufgelöst werden. Ist das nicht der Fall, könnte der Beginn des Arbeitsvertrages noch einvernehmlich verschoben oder der Arbeitsvertrag an sich einvernehmlich aufgelöst werden. Ist das alles nicht möglich, sind die Praktikantinnen und Praktikanten auf Basis des abgeschlossenen Arbeitsvertrages zu beschäftigen.

 

Von Pflichpraktikantinnen und -praktikanten zu unterscheiden sind Ferialarbeitnehmer:innen.

Stand: April 2022

Ihre Ansprechpartnerin

Mag. Maria Wottawa

Mag. Maria Wottawa

Rechtsservice E-Mail senden +43 1 5330952-14
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