Booking.com, von Branchenkennern auch oft das „Amazon der Hotellerie“ genannt, hat momentan einen Anteil von über 66% am weltweiten Markt der Online Reisebüros (OTA) – mit durchaus beeindruckenden wirtschaftlichen Kennzahlen. So lag der operative Jahresgewinn im Jahr 2018 bei 5,7 Milliarden Dollar und die EBITDA-Marge (eine abgewandelte Form der Umsatzrentabilität) bei 40%.
Für viele Hotels ist Booking mittlerweile der stärkste Vertriebskanal und somit der beste Freund – schon lange nicht mehr nur im Städte-Tourismus. Was angesichts der ziemlich perfekt auf Verkauf optimierten Webseite samt mobiler App und dem immensen Werbedruck wenig verwundert: Booking investierte im Jahr 2018 flockige 4,45 Milliarden Dollar rein in Performance Marketing!
Das Ganze muss natürlich von irgendjemandem bezahlt werden. Booking verlangt für jede realisierte Buchung eine Provision und dreht an dieser Schraube über die Jahre kontinuierlich nach oben – im Schnitt liegt sie derzeit bei rund 15%. Was den Buchungsgiganten für manche in der Abhängigkeit gefangenen Betriebe gleichzeitig zum größten Feind macht.
Was liegt also für ein Hotel näher, als die Buchungen lieber selbst zu generieren? Ärgerlicherweise ist das leichter gesagt, als getan – der Tourismus bietet im Vergleich zum klassischem eCommerce doch einige Herausforderungen:
- Ein Hotelzimmer ist hoch verderbliche Ware, kann also nicht gelagert oder nachproduziert werden. Wenn wir die heutige Nacht nicht bis heute verkaufen, kann dieser Umsatz eben morgen nicht mehr wett gemacht werden.
- Wir können einer stark saisonal schwankenden Nachfrage nur konstantes Angebot gegensetzen. Über Silvester bräuchten wir z.B. zehnmal so viele Zimmer, in der Nebensaison würde vermutlich auch die Hälfte reichen.
- Die Konkurrenz ist riesig. Alleine in Österreich gibt es über 4.100 Hotels, zuzüglich 6.800 Pensionen und Gasthöfe, sowie 15.000 gewerbliche Appartement-Vermieter. An die ganzen ausländischen Destinationen, wo die Gäste zum reinen Preis einer Wochenskikarte bereits eine ganze Woche Flug+Hotel+All Inklusive buchen können, wollen wir mal lieber gar nicht denken.
- Zwischen Zeitpunkt der Buchung und Zeitpunkt der Anreise liegen manchmal einige Monate mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten wie Stornierungen und Unannehmlichkeiten wie Liquiditätsverschiebungen.
- Bei bedarfsdeckendem Marketing à la Google Adwords ist es sehr, sehr schwer, gegen die Dominanz von Booking anzukämpfen.
Wir schlüpfen daher nun in die Rolle des Marketingteams eines 4 Sterne Superior Resort einer Feriendestation und schauen uns über ein halbes Jahr an, wie man eine touristische Paid-Performance Kampagne im Big Blue Universum (also Facebook, Instagram, Messenger) konzipiert, umsetzt und optimiert.
Als Tagesbudget in diesem Pilotbetrieb peilen wir ein überschaubares Investment von 150€ an.
Phase I: Vorbereitung
Zu Beginn brauchen wir mal primär einen Taschenrechner und gegebenenfalls Taschentücher, falls uns der Frust mal zu Tränen zwingt.
Die 15% Buchungsprovision von Booking entsprechen einem ROAS von rund 6,6 – das wird also unsere Messlatte werden. Nachdem es im Ferientourismus eher selten Spontankäufe gibt und die potentiellen Gäste in der Regel einige Tage für die endgültige Entscheidung brauchen, wählen wir als Attributionsfenster für die Optimierung 1 day view/7 day click.
Für eine grundsätzliche Machbarkeits-Analyse benötigen wir in jedem Fall den AOV (Average Order Value), also den durchschnittlichen Umsatz pro Online-Buchung sowie die Conversionsraten der jüngsten Vergangenheit. Am besten über die letzten zwölf Monate, damit wir auch eventuelle saisonale Schwankungen berücksichtigen können. All das können wir aus Google Analytics oder Facebook Analytics ziehen.
Wenn bisher noch überhaupt keine Pixel auf unserer Webseite eingebaut waren, haben wir in der Planung eher schlechte Karten und müssen uns auf Schätzungen oder Ergebnisse von ersten Tests stützen. Bitte an dieser Stelle nicht den AOV aus anderen Vertriebskanälen, wie Reiseveranstalter, verwenden!
Im Nachhinein kann man natürlich immer leicht reden: In dem oberen und unteren Screenshot sehen wir eine Post-Betrachtung über das zweite Halbjahr 2019.
Trotzdem halbwegs beruhigend: Bei rund 800€ Umsatz pro Buchung hatten wir schon einiges an Spielraum und konnten somit im Schnitt 125€ für die Akquise einer Buchung (=CPO) ausgeben.
Spätestens beim Einbau des Facebook Pixels brauchen wir allerdings mit Sicherheit ein (großes) Taschentuchpackerl. Wenn man sich die technische Dokumentation (oder besser das Fehlen derselben) der Buchungsstrecken der weltweit führenden Web-Booking-Engines so anschaut, könnte man fast glauben, dass die Entwickler dort noch nie etwas von Trackingpixel gehört haben. Wir schielen also neidisch auf eine professionelle Schnittstelle der Konkurrenz, werfen den Google Tagmanager an und bauen uns das Event-Tracking eben selbst.
Neben dem klassischen Pageview-Event feuern wir:
- Search: nachdem eine Suche nach Verfügbarkeiten von-bis Datum abgesetzt wurde
- AddToCart: nachdem ein User ein Zimmer mit gewünschter Verpflegung ausgewählt hat. Ab diesem Zeitpunkt ist auch ein Euro-Betrag als Parameter dabei
- AddPaymentInfo: nachdem Adress- und Kreditkartendaten eingegeben wurden
- Purchase: nachdem die Buchung vom System bestätigt wurde. Die frisch generierte Buchungsnummer wird aus Analysegründen als Parameter mit übergeben – Betrag und Währung logischerweise ebenfalls
Praxistipp: Aufgrund der aktuell etwas angespannten rechtlichen Situation mit DSGVO und Cookies, setzen wir auf die sichere juristische Legitimation mittels Opt-In und behalten zähneknirschend im Hinterkopf, dass wir damit etwa 15% aller Besucher unserer Webseite nicht korrekt tracken können.
Phase II: Konfiguration
Auch wenn wir nicht genau wissen, wann Facebook verpflichtend auf CBO (Campaign Budget Optimization) umstellt, wollen wir unsere neue Kampagnenstruktur gleich darauf ausrichten. Wir geben also alle AdSets mit unterschiedlichen Voraussetzungen in getrennte Kampagnen und sorgen mit einer vernünftigen Namens-Konvention dafür, dass wir später im AdManager rasch und einfach mit Filtern arbeiten können.
Das ist insbesondere wichtig, um später Kampagnenergebnisse sinnvoll miteinander vergleichen zu können. Es wird z.B. wenig Erkenntnisgewinn bringen, wenn wir den erzielten ROAS eines AdSet im Prospecting, dem eines AdSet im Remarketing gegenüberstellen. Auch wird der CPO nicht in allen Quellmärkten (=Sprache) gleich sein.
Als Kampagnenziel für unsere Verkaufsabsichten wird immer „Conversion“ verwendet. Als Optimierungspixelevent verwenden wir „Search“ oder „AddToCart“. Für eine Optimierung auf „Purchase“ haben wir noch zu wenige Verkäufe, das wird erst ab 50 Buchungen in der Woche spannend.
In der Kampagne „[Remarketing] [DE] [Beauty] [Sommer]“ sind also zukünftig alle AdSets untergebracht, die die unterste Ebene des deutsch sprechenden Funnel als Zielgruppe haben und sich mit Sommerangeboten für Massage, Maniküre, etc. beschäftigen.
Den gewünschten Zeitraum steuern wir über die Ansicht im Admanager (rechts oben). Jährlich wiederkehrende Angebote duplizieren wir in den Folgejahren einfach und passen allenfalls Änderungen, z.B. im Preis, an.
Falls wir das Werbekonto nicht auf der grünen Wiese übernehmen, geben wir noch einen Filter-Tag wie [Neu] dazu, damit wir die ganzen alten Versuche nicht mehr sehen müssen.
Phase III: Anfüttern
Dass Remarketing oft zu lukrativen Ergebnissen führt, haben wir alle schon irgendwo mal gelesen. Wir legen wir uns daher gleich zu Beginn 180 Tage und 30 Tage rollierende Custom Audiences aus Webseitenbesuchern an, segmentiert nach den verwendeten Pixel-Events. Die werden dann im Laufe der Zeit kontinuierlich befüllt und verwertet.
Je mehr qualifizierter Traffic auf unserer Webseite ist, desto interessanter kann das werden. Unter 500 Besuchern am Tag macht das Ganze halt nur recht wenig Spaß – wir investieren daher in den ersten Monaten gut die Hälfte des eingesetzten Budgets in die Kalt-Akquise, sprich Prospecting.
Im Targeting fahren wir sehr breit in unsere bekannten Quellmärkte hinein und schließen immer die oben angesprochenen Remarketing-Audiences aus – so haben wir eine saubere Trennung der Zielgruppen. Ein halbwegs kostendeckender ROAS von 1 wäre toll – wir akzeptieren aber auch mal schlechter performende AdSets.
Je nach gewählter Zielgruppe bauen wir einfache Link-Ads mit zum Angebot passenden Texten und Bildern. In der Regel sind zwei Saisonen und jeweils zwei Sprachen gleichzeitig aktiv – wir haben also zwischen vier und 16 AdSets gleichzeitig an unterschiedliche Zielgruppen laufen.
Als Gebotsstrategie verwenden wir Automatic, also „niedrigste Kosten“.
Phase IV: Abfrühstücken
Je länger das Projekt läuft, desto mehr laufendes Budget verschieben wir nun vom Prospecting ins Remarketing. Mit den unteren Funnel-Stufen müssen wir nun die kommerzielle Schlagkraft, die wir im Prospecting etwas verloren haben, wieder aufholen.