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Resilienz: Vom Umgang mit Überraschungen
Corona

Resilienz: Vom Umgang mit Überraschungen

Für das, was uns im Moment widerfährt, ist das Wort „Überraschung“ wohl eine starke Untertreibung. Die durch die Pandemie ausgelöste Gesundheits- und Wirtschaftskrise hat das Land fest im Griff. Warum für den erfolgreichen Neustart v.a. Zusammenarbeit wichtig ist, erklärt Sozialwissenschaftler und Unternehmer Dr. Harald Katzmair.

31. März 2021

Lesezeit: 

Gerade in Krisenzeiten stellt sich uns die Frage: Wie gehen wir mit unerwarteten Ereignissen um? Was sollen wir tun, wenn sich mit einem Schlag alles ändert? Wenn vorgezeichnete Wege auf einmal nicht mehr begehbar sind? Ein Begriff, der seit Beginn der Krise immer häufiger erwähnt wird, ist der der Resilienz. Gemeint ist das Vermögen, auf Veränderungen zu reagieren und sich nach Krisen zu reorganisieren. Dafür sind zunächst einmal Robustheit und Widerstandskraft nötig. Ebenso aber gehört Agilität dazu, die Fähigkeit, Altes hinter sich zu lassen und Neues zu beginnen. Gleichzeitig stabil und dynamisch zu sein – das ist leichter gesagt als getan. Was bedeutet nun, resilient zu sein bzw. wie kann man es werden?


Den adaptiven Zyklus verstehen

Das Konzept des adaptiven Zyklus aus der Komplexitätsforschung hilft dabei, Antworten auf diese Fragen zu finden. Jeder Mensch, jede Beziehung, aber auch jede Organisation und jedes Unternehmen durchläuft diesen Zyklus, der aus ganz bestimmten Phasen besteht. Zunächst beginnt es damit, dass überhaupt etwas beginnt. Zum Beispiel, wenn rund um eine neue Geschäftsidee ein Unternehmen gegründet wird (Start-up-Phase). Wenn es erfolgreich ist, wächst das Unternehmen und erreicht die Reifephase. Wachstum aber setzt sich nicht unendlich fort. Der Moment der Disruption lässt sich zwar manchmal aufschieben, irgendwann aber stellt er sich unvermeidlich ein. Die Umstände ändern sich, manchmal sogar radikal, und auf einmal funktionieren die gewohnten Denk- und Handlungsweisen nicht mehr. Nun kommt es darauf an, dass der Zyklus von der Phase des Wachstums in die der Entwicklung übergeht – von der quantitativen zur qualitativen Veränderung. Das erfordert nicht nur die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen (Phase der Neu-Erfindung). Ebenso wichtig ist es – und ebenso schwer fällt es manchmal –, alte Gewohnheiten aufzugeben, zu verlernen (Dekonstruktion). Wenn das gelingt, dann kann der Zyklus von vorne beginnen. Das ist es, was hier mit „Resilienz“ gemeint ist. Resilient zu sein bedeutet das Vermögen, den Zyklus in allen seinen Phasen immer wieder von neuem zu durchlaufen.

Allein geht es nicht

Das stellt offenbar hohe Ansprüche an die Menschen oder an Unternehmen. Die Phasen des adaptiven Zyklus erfordern unterschiedliche Persönlichkeitstypen und Führungsstile. Zu Beginn sind Pioniere gefordert, die über die Leidenschaft und den Mut verfügen, etwas Neues zu beginnen. In der Folge sind Manager gefragt, die neue Ideen umsetzen und den Wachstumsprozess steuern können. Im Moment der Krise bedarf es der Fähigkeit zur Improvisation sowie der Empathie gegenüber denjenigen, die unter den Veränderungen leiden. Und schließlich braucht es Visionäre, die die neuen Wege erkunden, sodass der Zyklus von neuem beginnen kann. Dies sind Persönlichkeitsmerkmale, die nur schwer miteinander vereinbar sind und sogar oft miteinander in Konflikt geraten. Diese Konflikte sind leichter bewältigbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass jeder Führungsstil die Phase hat, in der er der richtige ist.
Niemand kann derart unterschiedliche Eigenschaften in sich vereinigen. Das ist der Grund, warum Resilienz nicht die Angelegenheit eines einzelnen ist. Resilienz erfordert die Einbettung in Innovationsökologien, in Netzwerke, die all die genannten Persönlichkeitstypen und Führungsstile in sich vereinigen. Oft aber passiert in Krisenzeiten das Gegenteil, nämlich die Fragmentierung von Beziehungen und Organisationen. Die pandemiebedingte Unmöglichkeit, einander in der Öffentlichkeit zu begegnen, die Schließung der Gastronomie oder das erzwungene Homeoffice sind besonders krasse Beispiele für die Fragmentierung sozialer Beziehungen. Umso wichtiger ist es gerade in diesen Situationen, wieder zu einem gemeinsamen Situationsbewusstsein, einem gemeinsamen Richtungssinn zu gelangen.

Wir dürfen gerade jetzt nicht vergessen: Veränderungen werden auch durch positive Ereignisse ausgelöst.

Harald Katzmair
FASresearch

Neue Formen der Zusammenarbeit ausprobieren

Die Pandemie ist nicht die einzige Herausforderung für den Tourismus, man denke nur an die Digitalisierung oder an den Klimawandel. Die Visitor Economy stellt eine Innovationsökologie mit äußerst unterschiedlichen Playern dar (Kunst und Kultur, Forschung oder Umweltschutzorganisationen zum Beispiel gehören ebenso dazu). Sie alle spielen ihre Rolle im Zyklus, und sie alle gilt es, mittels neuer Formate der Zusammenarbeit noch stärker zu vernetzen. Nur so können die zahlreich vorhandenen, kreativen Lösungsansätze für die vielen Herausforderungen entdeckt und umgesetzt werden. 
Veränderungen werden aber zum Glück nicht immer durch Krisen ausgelöst, sondern ebenso durch positive Ereignisse, wie der Begegnung mit einem uns inspirierenden Menschen, oder durch eine neue Idee, ein neues Ziel. Das dürfen wir auch in schwierigen Zeiten nicht vergessen.
 

Infos zum Autor:

Dr. Harald Katzmair ist Gründer und Direktor von FASresearch und führender Experte auf dem Gebiet der angewandten sozialen Netzwerkanalyse mit Schwerpunkt auf Machtverhältnissen, Innovation und strategische Lagebildanalysen. Außerdem ist er Referent am diesjährigen ÖHV-Kongress.

Ihre Ansprechpartnerin

DI Barbara Diallo-Strobl

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