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Wir müssen radikaler denken!

Wir müssen radikaler denken!

Stefan Gössling forscht über Mobilität und Tourismus. Er plädiert für eine rigorose Abkehr von Flugzeug und Auto. Und dafür, dass Österreich-Werbung in den Fernmärkten gestrichen wird.

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Zehn Jahre hat man ihn ausgelacht, zehn Jahre war man über ihn wütend, jetzt hört man ihm zu. „Ich bekomme jetzt mehr Anfragen, als ich bearbeiten kann. Man merkt, dass viele verstanden haben, dass das Problem ein ernstes ist“, sagt Stefan Gössling, der Klima- und Mobilitätsforscher, der in Deutschland lehrt und in Norwegen forscht. Dennoch: „Wir haben lange Zeit die Energiewende verschlafen. Das hat jetzt zur Folge, dass Dinge sehr schnell passieren müssen. Wir alle müssen jetzt sehr schnell agieren. Und wir werden viel häufiger viel intensivere Disruptionen im System sehen. Ein Viertel des deutschen Waldes ist tot, der Po ist letztes Jahr fast ausgetrocknet, im Frühjahr war die halbe Emilia Romagna überschwemmt. Das sind schon ganz neue Dimensionen.“

 

Klimaopfer Tourismus 

Und das hat auch ganz unmittelbar Auswirkungen auf den Tourismus: „Schon der letzte Winter war ja kein solcher mehr. Wir hatten zwar noch Schnee, aber sehr spät im Jahr. Wer jetzt um die Weihnachtszeit in Urlaub fahren will, muss einfach damit rechnen, dass es keinen Schnee gibt. Das sehe ich als großes Problem für eine Industrie, die vom Schnee abhängig ist.“ Damit man ökonomisch sinnvoll Wintertourismus anbieten kann, muss es an 100 Tagen pro Saison Schnee geben. Das wird immer seltener der Fall sein – auch mit Beschneiung, die bestimmte Temperaturen braucht, vor allem Minusgrade nachts. Und viel Geld kostet. Gleichzeitig erhöht sich allerdings auch die Zahlungsbereitschaft der Gäste an den wenigen verbleibenden Tagen. Damit gibt es auch Kapazitätsprobleme. Das nächste Problem sind die überraschenden Starkregentage, vor allem in der Nebensaison, wenn man spontan in den Urlaub fahren möchte, auch weil es Kapazitäten gibt. Wenn es dann tagelang regnet, wird auch spontan gecancelt. Trockenheit im Sommer führt zu sinkenden Wasserspiegeln in Badeseen, verschobenen Stränden, schlechtere Wasserqualität.

 

Klimatäter Tourismus

Die Leute reisen wieder. Gut für die Tourismuswirtschaft. Schlecht für’s Klima? „Im internationalen Tourismus hat das Flugzeug permanent an Bedeutung gewonnen. Das ist fatal für die Klimabilanz.“ Allerdings sieht er das Reisen innerhalb Europas weniger kritisch: „Ich habe das gerade durchgerechnet, also eine Anreise mit dem Taxi zum Zug, dann Zug und dann nochmal mit dem Taxi zur Destination. Da kommen vergleichsweise lächerliche Summen an Emissionen zusammen. Man kann mit zehn Kilo CO2 quer durch Europa reisen, wenn man den Fernverkehr nutzt, der mit Ökostrom betrieben wird.“ Aber sobald das Auto involviert wird – auch vor Ort, um z.B. zum Skilift zu fahren – verschlechtert sich die Klimabilanz. Wenn vier Personen in einem Pkw statt im Zug in den Urlaub fahren, emittieren sie das Vierfache. Fährt man allein, ist es das Sechzehnfache. Die größten negativen Umwelteffekte entstehen durch die Fernreisen. 30 % der längsten Reisen verursachen 70 % der Emissionen. Das ist doppelt problematisch, denn: „Wir können statistisch belegen: Je weiter die Anreise, desto kürzer die Aufenthaltsdauer. Das kann man nicht anders erklären, als dass eben auch Reisen ins benachbarte Ausland gemacht werden.“
 

Man kann mit zehn Kilo CO2 quer durch Europa reisen, wenn man den Fernverkehr nutzt, der mit Ökostrom betrieben wird.

Stefan Gössling
Western Norway Research Institute

Auf die Nahmärkte setzen

Gössling plädiert deshalb dafür, dass man in Österreich oder Deutschland keine Werbung mehr in den Fernmärkten macht. Einfach, weil es sich nicht lohnt. Er rät mal innezuhalten und zu überlegen, welche Tourist:innen man wirklich will. Asiatinnen und Asiaten oder Amerikaner:innen mit Mozart oder Sound of Music im Kopf kommen eh nach Österreich, „das muss man nicht noch befeuern“. Die anderen bereiten eher Probleme: „In Norwegen haben wir große Verwerfungen gehabt, weil die chinesischen Tourist:innen einfach andere Essgewohnheiten haben. Da isst man sehr viel lauter, und das irritierte die westeuropäischen Gäste. Das führte dazu, dass man in Hotels tatsächlich den Speisesaal geteilt hat.“

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