
Montag, 7. Juni
Reitterer: „Sicherheit ist unsere wichtigste Waffe“
Mit 1.600 Mitgliedern ist die ÖHV heute stärker denn je. Damit hat die Organisation ihren Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit weiter gefestigt, stellte Präsidentin Michaela Reitterer in ihrem Statement zur offiziellen Kongresseröffnung fest. Dank 25 landesweiter Mitgliederbefragungen seit Ausbruch der Krise konnte die ÖHV stets kompetent über die aktuelle Lage der Mitglieder Auskunft geben. Mit mehr als 100 Presseaussendungen – in einem Gegenwert von 25 Millionen Euro – wurde die Öffentlichkeit mit Hilfe der Medien informiert. Gut angekommen ist auch das 24 h-Rechtsservice und der superschnelle Newsletter. „Damit haben wir gezeigt, dass hier die Praktiker am Werk sind“.
„Sicherheit ist die wichtigste Waffe, die wir im Wettbewerb um den internationalen Gast haben“, appellierte Reitterer an die Kollegenschaft. Der Politik gegenüber wiederholte sie die Forderung, Steuern, Lohnnebenkosten und generell die Bürokratie in Ordnung zu bringen. Entschädigungen (Stichwort Epidemiegesetz) müssten schneller kommen, denn die mittelfristigen Herausforderungen (Herbst, Winter) würden nicht geringer werden.

Arbeitsminister Kochers Botschaft kommt gut an
Arbeitsminister Martin Kocher, wegen entscheidender Verhandlungen an der Kongressteilnahme kurzfristig verhindert, versicherte in einer Videobotschaft, es werde weiterhin Möglichkeiten zur Kurzarbeit geben. Es sei ihm ein großes Anliegen, den Tourismus aus arbeitsmarktpolitischer Sicht bestmöglich zu unterstützen. Wie parallel zu Kochers vorbereiteter Grußbotschaft direkt aus Wien zu erfahren war, wird die Kurzarbeit bis Mitte 2022 verlängert. Ab Juli treten zwei neue Kurzarbeitsmodelle in Kraft: Für besonders betroffene Branchen, wie etwa die Stadthotellerie, bleibt es im wesentlichen beim Status quo ante, für alle anderen wird es ein befristetes Übergangsmodell geben.

Politikberater Hofer kritisiert übertriebene „Emokratie“
Bei der Bewältigung der Krise wurde einiges richtig gemacht, es war viel Positives dabei. Trotzdem herrsche hierzulande eine merkwürdige Getriebenheit. Politik und Öffentlichkeit scheinen kaum mehr in der Lage, Ereignisse ordentlich zu diskutieren und unterschiedliche Meinungen zu akzeptieren. Stattdessen wird permanent Öl ins Feuer gegossen. Immer öfter gehe es um pure Emotionen und weniger um Sachfragen, ortete der kurzfristig eingesprungene Politikbeobachter Thomas Hofer einen bedenklichen Trend zur „Emokratie“. Statt Dinge wirklich aufzuarbeiten (was ist gut, was ist schlecht gelaufen, wie war das mit dem Föderalismus, sind wir auf kommende Krisen überhaupt vorbereitet?) wird auf Emotionen (Angst, Hoffnungen) ausgewichen. Wichtig sei allein die gute Schlagzeile am nächsten Tag. Wie, fragt Hofer, kommen wir aus dieser Emotionsspirale wieder heraus? Ausdrückliches Lob spendete der erfahrene Analyst der ÖHV. Diese sei in all den kritischen Monaten forsch, sachorientiert und ohne parteipolitische Rücksichtsnahmen aufgetreten.

Selmayr: EU und Tourismus als starke Partner
Große Freude über den „ersten physischen Kongress des Jahres“ zeigte auch Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, wobei er der ÖHV ausdrücklich dankte, starke Akzente der Zuversicht gesetzt zu haben. Es erwarte uns, so meinte er, ein weitgehend normaler Sommer. Vorsicht und Umsicht seien jedoch weiter gefragt. Europaweites Denken gewinne im Tourismus zunehmend an Gewicht. Als Beispiele nannte der EU-Repräsentant die umfassende Wirtschaftshilfe durch Außerkraftsetzen des europäischen Stabilitätspaktes („koste es, was es wolle“), das „Impfwunder“ (fünf bis sechs gute Impfstoffe nach nur einem Jahr!) sowie die „legitimen und legalen Reisebeschränkungen“ zur Eindämmung der Pandemie. Was im „deutschen Eck“ passierte war allerdings keine europäische Meisterleistung, räumte der EU-Sprecher ein. Es brauche daher einen europäischen Mechanismus, um derartige Fälle künftig zu vermeiden. Das „grüne Zertifikat“ wurde binnen zweier Monate beschlossen, so schnell wie noch keine andere Maßnahme der EU. Der Tourismus habe nicht nur mit Wirtschaft zu tun, sondern er repräsentiere auch die Seele Europas. Deshalb können EU und Tourismus als starke Partner auftreten.

Schellhorn: Die Lehren aus der Krise
Österreich wurde von der Pandemie härter getroffen als andere Länder. Der Aufholprozess wird bis Ende 2022, de facto aber oft bis ins Jahr 2023 hinein dauern, stellte Wirtschaftsexperte Franz Schellhorn von der Agenda Austria seinen Ausführungen über „die wirtschaftlichen Folgen der Krise“ voran. Dass Österreich hart getroffen wurde, kam nicht von ungefähr: es hatte besonders strenge und lange Lockdowns, es gab negative Folgen der staatlichen Hilfspakete („es war zum Teil besser, nicht aufzusperren) und einen ungünstigen Zeitpunkt des zweiten Lockdowns. „Die Probleme, die wir schon hatten, sind nicht verschwunden, sondern sogar noch größer geworden, z.B. die Langzeitarbeitslosigkeit, die Defizite im Pensionssystem oder die unzureichende Eigenkapitalausstattung im Tourismus. Hier gegenzusteuern sei ein Gebot der Stunde, mahnte der Experte. Österreich brauche mehr Wachstum, mehr Wertschöpfung, und nicht weniger. Was also könnte man im Tourismus tun? Man sollte forscher vorgehen und den Ausstieg aus den vielen Hilfspaketen entschlossen vorantreiben. Ist es, so Schellhorn, beispielsweise richtig, die Kurzarbeit für die Stadthotellerie zu verlängern, solange die Ferienhotellerie Mitarbeiter sucht?

Gratzer: Corona Hilfen - gut gemeint oder gut gemacht?
„Der 25. Februar 2020. Dieses Datum werde ich nie vergessen! Was dann gekommen ist, war in keiner Worst Case-Planung eines Unternehmens zu finden“, leitete ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer seine Bestandsaufnahme der vergangenen Monate ein. Ab diesem Zeitpunkt war das ÖHV-Team Tag und Nacht im Einsatz. Auch die Politik blieb nicht untätig. Heraus kam ein Blumenstrauß an Hilfen. Was davon ist auf betrieblicher Ebene angekommen und wie hat es gewirkt? Um diese Frage zu beantworten, präsentierte Gratzer die Ergebnisse einer im Vorfeld des Kongresses durchgeführten ÖHV Insight Umfrage vom Mai 2021, welche die Auswirkungen auf betrieblicher Ebene genauer unter die Lupe nimmt.

ÖHT: Augen zu und durch?
In Vertretung von Wolfgang Kleemann sprachen die beiden ÖHT-Experten Hofstetter und Zellmann über die Resilienzfähigkeit in den Bereichen Finanzen, Liquidität und Eigenkapital.
Was ist passiert? Nach der anfänglichen Schockstarre wurden seitens der ÖHT 8.800 Anträge auf Covid19-Förderungen positiv erledigt. Der Schulterschluss hat geklappt. Jetzt, so die Referenten, stelle sich natürlich die Frage, wie kommt man am besten zurück in den Markt. Die Strategie für 2021: „Trigger“ schaffen, wobei „touristische Treiber“ im Fokus stehen.
Eigenkapital ist und bleibt der zentrale Punkt. Die Fähigkeit zur Stärkung der Liquidität muss verbessert werden, so der weitere Befund der Experten. Was die Branche jetzt zur Wiederbelebung braucht sind „hard facts“ (Ankurbelung der Investitionen, die Bewältigung der zusätzlichen Kreditkosten) und „soft facts“ (u.a. ausreichend qualifizierte Mitarbeiter, Lösung der Nachfolge- und Übernahmeprobleme sowie vertikale Kooperationen).

Martin Lohmann: Die Deutschen wollen reisen!
Die Reiselust der Deutschen ist ungebrochen. Dies ist die erfreuliche Quintessenz der Ausführungen von Prof. Martin Lohmann, Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen. Wie Lohmann betonte, sei die Nachfragesituation ermutigend für Österreich („und das ist nicht selbstverständlich“). Es herrsche eine wachsende Nachfrage nach österreichischen Zielen. Österreich (Marktanteil 9 %) profitiere von der gesellschaftlichen Entwicklung. Entscheidend für den Erfolg aber werde sein, wie sehr die Anbieter die Gesundheit ihrer Gäste sichern und garantieren können.
Die „Reiselust“ hat sich, so Lohmann, während der Pandemie kaum geändert. Bei der Einstellung zu Urlaubsreisen mache sich aber ein „neues Biedermeier“ bemerkbar. Was die weitere Entwicklung betrifft, so rechnet Lohmann damit, dass das Publikum die Pandemieperspektive hinter sich lassen werde und Urlaubsreisen weiterhin zu den gefragtesten Tätigkeiten zählen. „Urlaub machen ist und bleibt essentiell!“.

WIFO und Manova zu den Erfolgsfaktoren im Sommer 2020 – Was können wir auf 2021 umlegen?
Corona hat das Reiseverhalten im Sommer 2020 weltweit verändert. Der Binnentourismus boomte, grenzüberschreitende Reisen gingen zurück. Aus Sicht der Gastgeber wurden viele Gäste „geborgt“. Dadurch konnte der Wegfall von Stammgästen zum Teil sogar überkompensiert werden. Diese Entwicklung stellte sich am Ende des Sommers als überdurchschnittlich krisenfest heraus. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung über Gästezufriedenheit in österreichischen Destinationen, die im Auftrag der ÖHV und des Bundes Österreichischer Tourismusmanager (BÖTM) von WIFO und Manova durchgeführt und beim Kongress präsentiert wurde.
Entscheidend für den Sommer 2020 waren der Studie zufolge Bademöglichkeiten und die Natur, weniger die Qualität. Dies dürfte übrigens, so Manova-Geschäftsführer Klaus Grabler, auch die Entwicklung in diesem Sommer mitbestimmen, wenn auch etwas weniger ausgeprägt als im Vorjahr. Um Gäste, die 2020 Urlaub in Österreich statt am Meer machten, auch nach der Pandemie zu halten, werde es einiger Anstrengung bedürfen. Was die internationalen Touristen betrifft, wird Österreich von einer schrittweisen Rückkehr zur Normalität profitieren. Unser Land hat gute Aussichten, auch in diesem Bereich (70 Prozent der Gäste kamen 2019 aus dem Ausland) auf die Erfolgsspur zurückzukehren, betonte WIFO-Tourismusexperte Oliver Fritz.

Podiumsdiskussion: Wird alles so wie früher, und wollen wir das überhaupt?
An die Präsentation dieser Studie schloss sich eine spannende Podiumsdiskussion. Lisa Weddig, neue Chefin der Österreich Werbung und BÖTM-Präsident Mathias Schattleitner diskutierten dabei mit den Studienautoren über die Resilienzfähigkeit von Destinationen. Der Tenor dieser Gesprächsrunde: Wird alles so wie früher, und wollen wir das überhaupt?