
Mittwoch, 4. Mai
„Recruiting 3.0 - Gute Tipps für mehr Bewerbungen“
„Recruiting wird nie wieder so sein wie es einmal war. Das Gewinnen von Tourismusmitarbeitern ist zu einem großen Puzzlespiel geworden. Es gibt keine Allheillösung“, leitete Jürgen Pichler (Fachmagazin Rolling Pin) seine Ausführungen ein. Viele Bewerber gehen unterwegs verloren. Ausstiegsgründe sind, so der Vortragende, schlechte/unflexible Arbeitszeiten (51%), Bezahlung (32%), Zukunftsängste wie erneuter Lockdown oder Trinkgeldverlust (9%) und mangelnde Wertschätzung (5%).
Als Betrieb sollte man immer „klarmachen, wofür ich stehe“. Wichtigster Baustein dafür ist ein Positionspapier, das Werte, eine Vision und die Spielregeln umfasst. Man muss die Zielgruppe genau ansprechen (in Bild und Wortwahl), wobei Print und ePaper wichtig sind. Es geht darum, positiv aufzufallen. „Kaufen Sie Sichtbarkeit. Nehmen Sie sympathische Eyecatcher-Fotos, nützen Sie die Zeilen für einen individuellen Text und geben sie dem Betrieb eine Aura“. Bei einem guten Text würden sich, so Pichler, erfarungsgemäß dreimal so viele Bewerber melden. Was die Entlohnung betrifft rät Pichler: „Bieten Sie, was Sie maximal zahlen können/wollen. Auch die Benefits für Mitarbeiter nicht vergessen“. Bei der Ausschreibung höherer Positionen sollte man einen Fachmann zu Rate ziehen.
„Verlinke alles auf die mobile Landingpage deiner Webseite. Erkläre in kurzen Worten, welche Vorteile dein Betrieb bietet. Man muss nicht der Beste der Welt sein. Es genügt, wenn du der Beste in deiner Region bist“, lauten einige weitere Ratschläge des Experten. Pichler rät dazu, sich einer guten Social Media-Agentur zu bedienen, die mit Homepage-Gestaltung und den „Audiences“ (Leserkreis, Zielgruppe) bereits echte Erfahrungen hat. „Recruiting sei keine lästige Nebensache, sondern ein entscheidender Punkt. Planen Sie daher jedes Jahr ein entsprechendes Recruiting-Budget ein“.

Expertendiskussion über „New Work in der Praxis
Kreative Modelle zum Thema „New Work“ standen im Mittelpunkt der nachfolgenden Podiumsdiskussion, an der sich Jacqueline Beyer (AMS Salzburg), Florian Mayer (Familux Resorts) Sophie Schick (ÖHV-Vizpräsidentin, Boutique Hotel Hauser) und Berend Tusch (vida-Vorsitzender) beteiligten. Einig waren sich die Diskutanten, dass der Arbeitskräftemangel ein europaweites Phänomen geworden ist, das Auswirkungen in alle Richtungen zeigt.
„Wir brauchen euch dringend“, appellierte Jacqueline Beyer in Richtung der anwesenden Hoteliers. Es gehe um Haltung auf allen Ebenen. „Der Chef muss zu den Mitarbeitern stehen. Wir hören von Leuten, die vom Tourismus in den Pflegebereich wechseln: ´Der Patient gibt uns mehr Wertschätzung als der Gast`“. Für Berend Tusch liegt der Fokus immer stärker auf der Sinnfrage: „Beim Recruiting mehr in die Werte hineingehen, aber auch die Realitäten bestmöglich abbilden!“. Er sehe Chancen, Beschäftigte mit neuen Konzepten (New Work) zu finden und zu halten und damit künftig Auseinandersetzungen zu vermeiden. Sophie Schick forderte dazu auf, unter Einbindung der Mitarbeiter flexible Modelle zu entwickeln. Familienorientierte Lösungen sind gefragt. Immer ein Ohr für die Mitarbeiter haben! Verbesserungsmöglichkeiten und Potenziale gebe es in der Kinderbetreuung, aber auch bei den Älteren. Florian Mayer erinnerte daran, dass es viele großartige Unternehmen und viel mehr weiße als schwarze Schafe gibt. „Uns fehlen die Hände, wir brauchen einen kontrollierten Zuzug von Leuten. Denn Roboter werden unsere Mitarbeiter nie ersetzen“, betonte der Hotelier.
vida-Vorsitzender Tusch hatte zum Abschluss der ergiebigen Diskussion noch eine Überraschung parat. Er überreichte ÖHV-Präsident Veit ein symbolisches Puzzle, mit der Aufforderung bzw. Bitte, gemeinsam die Puzzlesteine zu legen und „gemeinsam in eine gute Zukunft zu gehen“.

Ahlfeld: Keine Ausreden mehr! - Hin zu mehr Eigenverantwortung
„Verantwortung übernehmen und Ziele einfacher erreichen“ war das Thema von Unternehmensberater Benedikt Ahlfeld. „Ausreden sind das Gegenteil von Verantwortung. Deshalb keine Ausreden mehr“, stimmte der Bestsellerautor das Publikum auf seine Thesen ein. Um Verantwortung zu übernehmen, müsse man sich von erlernten Abhängigkeiten befreien. Haltung beginne mit Selfmanagement. „Einstehen für das, was Dir wirklich wichtig ist. Denn Du bist das Ergebnis Deiner Entscheidungen“, formulierte Ahlfeld.
Wenn ich sage, „jemand anderer ist schuld“, gebe ich hingegen die Kontrolle ab. Dies sei der falsche Weg. Vielmehr sollte man sich fragen, wo man Ausreden für sich gefunden und Menschen falsch eingeschätzt hat. Ahlfeld mahnte weiters „mehr Fehlerfreudigkeit“ ein. Es brauche eine Kultur, die es erlaubt, Fehler zu machen.
Ahlfeld lockerte seine Ausführungen mit eine Reihe pointierter Aphorismen auf, die auf das Thema „Menschen ansehen, Vorurteile überwinden“ abzielten, wie „Fremde sind nicht bekannte Freunde“ oder „Hey, Du bist mir unsympathisch, ich möchte Dich kennenlernen“. Ein weiteres Beispiel: „Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist. Wir sehen sie so, wie wir sind’“, zitierte er die US-Schriftstellerin Anaïs Nin.

Verra: „Körpersprache? Die braucht in der Hotellerie kein Mensch!“
Man solle nie Sätze sagen, die nicht von der dazu passenden Körpersprache begleitet werden, weiß der international gefragte (150.000 Follower) Körpersprache-Experte Stefan Verra. So sollte beispielsweise ein Rezeptionist oder eine Rezeptionistin in der Hotellobby dem neu ankommenden Gast bei der Begrüßung immer auch ein nonverbales Signal geben, dass er ihn tatsächlich freudig bemerkt hat. Allein einen Stehsatz („Wir freuen uns, dass Sie da sind“) aufzusagen genügt nicht. Der Appell an die Mitarbeiter lautet daher: Deutlicher lächeln. Das hat mit Freude zu tun und muss nach außen sichtbar sein. Und dabei ist auch das richtige Tempo zu beachten. Angebracht ist eine rasche, freundliche Reaktion.
Nicht nur, aber besonders in Zeiten, in denen Masken getragen werden müssen, ist das Spiel der Augenbrauen wichtig, um eigene Emotionen auszudrücken und die Stimmungslage des Gegenübers erkennen zu können. Ein kurzes, anerkennendes Heben der Augenbrauen macht - nicht nur an der Rezeption - einen dramatischen Unterschied. „Das Symbol ist uralt. Es ist nicht nur unabhängig vom Temperament, sondern auch kultur- und geschlechtsunabhängig“. In schwierigen Zeiten, so der Experte, ist es wichtig, Mitarbeiter zu haben, die auch ihre Körper sprechen lassen können. Damit kann man aus einem Gast einen Stammgast machen. „Auf lange Sicht werden wir die Gäste bekommen, die wir mit Körpersprache positiv ansprechen“, fasste Verra zusammen.

Ausklang eines erfolgreichen Kongresses
Zum Abschluss des gelungenen Jubiläumskongresses ergriff nochmals ÖHV-Präsident Walter Veit das Wort. Er holte die Schüler der Tourismusschulen Modul und ihre Begleiter vor den Vorhang, dankte allen Referenten, der Moderatorin und den überaus engagierten Mitarbeitern der ÖHV, die für einen klaglosen Ablauf der stark besuchten Veranstaltung (700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer) gesorgt hatten, und kündigte den nächsten ÖHV-Jahreskongress an: dieser findet vom 22. bis 24. Jänner 2023 in Salzburg statt. Tagungsorte sind der Hangar 7, die Residenz und Salzburg Congress. Als Rahmen bieten sich die Salzburger Mozartwoche oder ein Schiausflug in die Salzburger Berge an.