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Tag 2 am ÖHV-Kongress 2020
Kongress

Tag 2 am ÖHV-Kongress 2020

"Reiten Sie den Hai und verlassen Sie Ihre Komfortzone!", appellierte Dietmar Dahmen an die Anwesenden. Wie man Geschichten richtig erzählt und damit seine Gäste begeistert, war dann Thema in den Vorträgen von Kognitionsforscherin Elisabeth Wehling, Regisseur Rupert Henning und Strategie- und Erlebnisplaner Matthias Imdorf. Eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion beleuchtete zum Abschluss des 2. Kongresstages das Thema „Inszenierung im Tourismus“ von unterschiedlichen Seiten.

15. Januar 2020
Montag, 13. Jänner

Montag, 13. Jänner

Wehling: Vorsicht beim Framing – Die Wahrheit ist immer noch die beste Inszenierung

Mit Framing, Fake News und der Macht der Sprache befasste sich die erste Referentin dieses Vormittags, die Kognitionsforscherin Elisabeth Wehling. „Frames“ ermöglichen kognitives Denken, sie werden benötigt, um Fakten Sinn zu geben. Im Gehirn produzieren sie eine „Stoßwelle von (meist unreflektierten) Assoziationen“. Sie werden genutzt, um abstrakte Dinge „greifbarer zu machen“.

Frames entsprechend zu adjustieren ist eine erfolgreiche Strategie, die auch für den Tourismus gilt: „The game is the frame“, lautet die Devise. Je öfter ein Framing gebraucht wird, desto mehr setzt es sich durch und wird zum Klischee. Mit dem Framing „Sharing Economy“ beispielsweise assoziiert man etwas Wunderbares („sharing is caring“), auch wenn die Realität mitunter anders aussieht. Wie wäre es etwa, würde man die „Sharing Economy“ ganz unsentimental als „unprotected economy“ oder “poorly regulated economy” bezeichnen? Die Wirkung dieser Frames sähe gleich ganz anders aus. Den Hoteliers riet sie zur Vorsicht beim Schaffen von Frames. „Ein sorgloser Umgang mit Sprache ist gefährlich. Die eigene Wahrheit ist immer noch die beste Inszenierung. Eine erfolgreiche Geschichte lebt von Authentizität und von Werten, die für das Gehirn greifbar sind“, schloss die Rednerin, die zu diesem Thema auch ein Buch („Politisches Framing“) veröffentlicht hat.

ÖHV-Kongress, Henning

Henning: „Ich liebe das Utopische, wenn ich in ein Hotel komme“

„Ich glaube an Geschichten. Und ich liebe das Utopische, wenn ich in ein Hotel komme. Wenn mich dort ein Angebot für eine andere Gegenwart erwartet als meine eigene“, stellte Rupert Henning, Schriftsteller, Schauspieler, Theater- und Filmregisseur, gleich anfangs eine Verbindung zum Theater mit seinen vielfältigen Inszenierungen her. Beide, das Hotel wie Theater, sind „Utopienermöglicher“, und das sei durchaus ernst zu nehmen. „Wir alle spielen. Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht verstellt“, führte der bekannte Dramatiker aus, der seinen Vortrag, frei nach Shakespeare, unter das Motto „Die ganze Welt ist Bühne“ gestellt hatte.

Wie im Theater gebe es auch in der Kunst des Gastgewerbes keine absoluten Wahrheiten. Die Inszenierung lebt vom Mut, man selbst zu sein. Auch wenn es inszeniert ist, kann es authentisch sein. „Erzählen sie Geschichten! Geschichten sind wichtig“, forderte Henning seine Zuhörer auf. „Schaffen Sie ein Bewusstsein. Ein Hotel hat eine Geschichte und eine Haltung. Entscheidend ist, dass sich alle auf Augenhöhe begegnen“. Wenn der Gast das Hotel verlässt, sollte etwas da sein, das bleibt. Sofern das Hotel eben Charakter besitzt.

Im Hotel, so Henning weiter, zähle nicht so sehr der Effekt, es gehe vielmehr um Charakter. Und diesen spürt der Gast. Der Schein, sei er auch noch so schön, kann nicht darüber hinwegtäuschen, wenn der Charakter fehlt. Und eine Person allein kann kein Hotel führen („mit einer Hand kann man keinen Knoten knüpfen“). Deshalb gilt: „Das wichtigste sind Sie! Sie und Ihr Team!“.  

Dahmen: „Kill your comfort zone!” Der tägliche Kampf um die perfekte Inszenierung

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Als Hotelier haben Sie eine schwere Aufgabe: Sie müssen alles besser machen. Werden Sie dabei kritisiert - etwa auf Plattformen - so lassen Sie sich nicht umhauen. Schlagen Sie zurück, rät Zukunftsforscher und Visionär Dietmar Dahmen seinen Zuhörern: Reden können die anderen, aber handeln können nur Sie selbst. Gehen Sie durch die Wand des Wiederstandes. Die erste Wand ist die Digitalisierung, die zweite Wand die künstliche Intelligenz. Und die dritte Wand, so Dahmen, heißt Blockchain. Der Fort-Schritt passiert, man muss mit-gehen.

Mit beiden Beinen am Boden kommen Sie nicht weiter. Sie brauchen, neben dem Standbein, auch ein Spielbein. „Haben Sie Mut zur Disruption!“, rief Dahmen, während er publikumswirksam und äußerst temperamentvoll über die Bühne rockte. „Denken Sie nicht zu viel nach. Vermeiden Sie die Analyse-Paralyse. Analysieren Sie sich nicht zu Tode. Kill your comfort zone!“.

Imdorf: „Hotellerie – die erweiterte Form der schönen Künste“

Die Hotellerie per se ist darstellende Kunst. Das „szenische Erleben“ ist Grundmotiv dieses modernen Theaters, erklärte der Schweizer Strategie- und Erlebnisplaner Matthias Imdorf, dessen Vortragstitel  „Hotellerie – die erweiterte Form der schönen Künste“ Michaela Reitterer schon bei der Eröffnung begeistert hatte.

Das methodische Inszenieren im Tourismus setzt sich, so Imdorf, aus fünf Schritten zusammen:

  • das Leitbild (Vision & Mission und Sinngebung), wird über Themen inszeniert,
  • der Stoff, die Story (Emotionalisierung, Leitmotiv, Symbole, Metaphern),
  • das Bühnenbild – noch komplexer als das Bühnenbild im Theater,
  • die Bühnenpräsenz (das Stück wird aufgeführt) – Standards und Routine stehen dabei immer noch im Vordergrund,
  • der strategische Fokus (erörtern, einschätzen, testen, beurteilen) – Was bringt es den Gästen?

Besonders wichtig ist es, das szenische Wirken zu überprüfen. Kann ich damit Kunden beeinflussen, Begeisterung schaffen und damit letztlich die Buchungen steigern?

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der Vortrag zum Download

Panel-Diskussion über „Inszenierung im Tourismus“

Gleich fünf namhafte Touristiker diskutierten im Anschluß über „Inszenierung im Tourismus“ am Podium: Matthias Imdorf (Erlebnisplan), Ellen Nenning (GAMS zu Zweit in Bezau), Philipp Patzel (Esterházy Betriebe), Andreas Steibl (Tourismusverband Paznaun – Ischgl) und Gerhard Wendl (JUFA Hotels). Ausgezeichnet und schwungvoll moderiert, wie übrigens die ganze Tagung, wurde das Gespräch von Mag. Ute Pichler (ORF).

Für Steibl ist Inszenierung ein absolutes Muss. Die Zielgruppe für Ischgl sind Leute, die sich gerne selber in Szene setzen, der Showfaktor („Bühne der Eitelkeit“) ist daher ganz wichtig. „Ischgl inszeniert sich selbst und bietet eine Bühne für alle, die sich inszenieren wollen“, formulierte der in Szene-Fragen erfahrene Touristiker. Aber Achtung: das Qualitätsversprechen muss gegeben sein. Für JUFA-Pionier Wendl ist es jedenfalls angesagt, auch Einheimische mit ins Boot zu holen, sie einzubinden und Authentisches zu zeigen. Für Imdorf geht es im Tourismus darum, auf offensichtlich ganz unterschiedliche Nachfragen sinnvoll einzugehen. Es ist daher eine Frage der strategischen Zielformulierung, ob und wie weit Inszenierung greift. Man müsse sich entscheiden, so Patzel, in welcher Phase man mit seiner Inszenierung einsteigen will. Meist genügt es, das bestehende Produkt zu inszenieren. Die Inszenierung geht so weit, so weit wir sie zulassen, warf Ellen Nenning ein. Wenn man ein Thema hat, ist´s leichter. „Ich selbst habe zehn Jahre gebraucht, die Inszenierung zu ändern“. Wichtig sei, auf Gästebedürfnisse richtig zu reagieren. „Ich kann eine Inszenierung nur starten, wenn ich eine klare Position habe und weiß, wo ich hin will und wen ich ansprechen möchte.“, unterstrich Steibl.

„Das Gebäude ist Teil der Inszenierung. Aber nur dann, wenn die Inszenierung stimmig ist, kann das Gebäude helfen.“, sagte Nenning in der Schlussrunde. „Zu den Basisfunktionen wie Wärme und Geborgenheit soll auch die eigene Geschichte nicht vergessen werden. Wenn es darum geht, eine bestimmte Inszenierung durchzuziehen.“, räumte Experience Designer Patzel ein.  

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