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Kein Stein auf dem anderen
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Kein Stein auf dem anderen

ÖHV-Präsident Walter Veit zieht ein Jahr nach Amtsantritt Resümee: Wo steht die Branche, was sind die Herausforderungen und wo braucht die Politik mehr Zug zum Tor?

02. Dezember 2022

die lobby: Herr Veit, ein Jahr an der Spitze der ÖHV, wie fühlen Sie sich und wie lautet Ihr Resümee nach dieser durchaus intensiven Zeit?

Walter Veit: Danke, sehr gut, langweilig wird einem da nicht! Das letzte Jahr war für uns alle sehr fordernd: Nach zwei Jahren Pandemie, deren Folgen wir noch immer spüren, mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und seinen Auswirkungen. Zeit zum Durchatmen hatten die Betriebe nicht.

die lobby: Sie haben es bereits erwähnt, Stichwort Corona: Die letzten beiden Jahre gingen den Unternehmen an die Substanz. Drei schwierige Winter, einer davon ganz verloren, so gut wie keine internationalen Gäste – wie stehen die Betriebe jetzt da?

Walter Veit: Kurz gesagt: manche besser, manche schlechter. Einige warten immer noch auf Ausgleichszahlungen für die Zwangsschließungen aus dem ersten Lockdown. Das muss man sich mal vorstellen, zwei Jahre danach! Andere streiten gerade mit der COFAG, die eine künstliche Unterscheidung zwischen Miete und Pacht aus anno dazumal heranzieht, um keine Entschädigungen auszahlen zu müssen! Das ist überhaupt die Spitze des Irrsinns. Aber das haben sich unsere Anwälte schon angesehen, da sehen wir verfassungsrechtlich einiges auf COFAG und Regierung zukommen. Das Geschäft in den Städten läuft zum Glück wieder an. Kongresse und internationale Gäste kommen zurück, wenn auch sicher noch nicht in dem Ausmaß wie früher. Die Asiaten fehlen uns und natürlich spüren wir die Krise auch stark bei unseren Mitarbeiter:innen. Viele haben ihre Lebensmodelle angepasst, haben sich neu orientiert.

Es arbeiten jetzt mehr Personen im Tourismus als vor der Krise. Dennoch haben 80 % unserer Betriebe offene Stellen.

Walter Veit
Hotel Enzian, Obertauern

die lobby: Wie schaut es aktuell am Arbeitsmarkt aus?

Walter Veit: Vorweg muss man ganz klar mit dem Vorurteil von Gewerkschaft und Co. aufräumen, dass der Tourismus eine Fluchtbranche ist. Ja, es sind Mitarbeiter:innen gegangen, sind in den Verkauf, die Industrie und andere Branchen abgewandert. Aber viele sind sehr rasch zurückgekommen, weil sie die Arbeit in der Branche sehr schätzen. Unter dem Strich arbeiten aktuell durchschnittlich mehr Personen im Tourismus als 2019 vor der Krise! Dennoch haben laut unserer aktuellen Branchenbefragung 80 % der Betriebe offene Stellen. Das heißt, wir haben zwar mehr Mitarbeiter:innen, die aber weniger arbeiten. Die Leute nutzen eines der größten Assets unserer Branche, flexible Arbeitsmodelle, vermehrt.

die lobby: Trotz alldem scheint man nicht attraktiv genug zu sein?

Walter Veit: Das ist zu kurz gegriffen, das Problem ist vielschichtiger. Die Betriebe bieten eine Reihe von attraktiven Zusatzleistungen, werden da aber oftmals vom Staat ausgebremst, Stichwort Quadratmeter-Höchstgrenze bei Wohnungen für Mitarbeiter:innen. Genauso unverständlich ist, dass die öffentliche Kinderbetreuung auf Montag bis Freitag von 8:00 bis 16:00 Uhr ausgerichtet ist. Ein Drittel aller Arbeitenden schaut da durch die Finger und muss sich privat was organisieren oder die Unternehmen springen ein.
Und dann, ich werde nicht müde es zu sagen, kosten unsere Mitarbeiter:innen zu viel und verdienen zu wenig. Wir brauchen endlich eine echte Lohnnebenkostensenkung.
Unsere Vorschläge wie minus 30 % für 30 Mitarbeiter:innen je Unternehmen liegen am Tisch. Anreize für die Jugend, mehr zu arbeiten – wie halbe Lohnsteuer bis 30 oder Teilzeitbeschäftigung für Pensionist:innen zu fairen Steuersätzen!

die lobby: Kosten ist ein gutes Stichwort. Die aktuelle Teuerungskrise macht auch vor der Hotellerie nicht halt. Wie ist die aktuelle Lage in der Branche?

Walter Veit: Verhalten. Jeder spürt es bei jeder einzelne Position, die Lebensmittelpreise aber vor allem Energie, haben unvorstellbare Höhen erreicht. Das wäre ohne Corona schon schwierig zu verkraften gewesen. Hier braucht es auch Bewegung in der Politik. Spanien und Portugal haben vorgezeigt, dass es funktioniert. Warum soll das iberische Modell nicht auch bei uns funktionieren? Dass der Bund einen Teil der Gas-Kosten der Stromproduzenten übernimmt und so die schlimmsten Effekte der merit order außer Kraft setzt: Nämlich, dass sich der Preis für Solarstrom, Wasser- oder Windkraft vervielfacht. Denn die Produktion kostet da keinen Cent mehr. Auch unsere Wälder haben das Wachstum nicht eingestellt! Das konnte mir noch keiner erklären. Da brauchen wir mehr Mut und Zug zum Tor bei den Verantwortlichen. Vor allem auch im Hinblick auf das nächste Jahr. Im Vergleich zu 2019 werden sich 2023 die Kosten pro Kilowattstunde verdreifachen. Solche Erhöhungen kann aber niemand 1:1 an die Gäste weitergeben. Laut ÖHV-Umfrage kann jeder fünfte gerade einmal ein Drittel der Kosten weiterverrechnen, 16 % schaffen es gar nicht! Hier braucht es Lösungen, und zwar rasch.

Der Bund soll einen Teil der Gas-Kosten der Stromproduzenten übernehmen und so die schlimmsten Effekte der merit order außer Kraft setzen!

Walter Veit
Hotel Enzian, Obertauern

die lobby: 2023 macht der ÖHV-Kongress erstmals in Salzburg halt. Was darf man erwarten?

Walter Veit: Als Wahl-Salzburger freut es mich natürlich besonders, dass es geklappt hat und wir den ÖHV-Kongress in die Mozart-Stadt geholt haben. Der thematische Rahmen wird durch das Mega-Thema unserer Zeit abgesteckt: Veränderung und wie wir damit umgehen müssen. Neben dem Who is Who der Branche haben wir es wieder geschafft, Hochkaräter wie den Ersten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, Tourismus-Staatssekretärin Susanne Karaus Winkler, den deutschen Wirtschaftsweisen Lars. P. Feld oder Extremsportler Wolfgang Fasching für Impulse zum Thema zu gewinnen, und das Rahmenprogramm kann sich auch sehen lassen. Mit dem Hangar-7 und der Residenz sind wir in den beiden Top-Locations der Stadt und schaffen so den Brückenschlag zwischen Moderne und Tradition. Also genau das, wofür Salzburg und unsere Branche stehen und in aller Welt bekannt sind!

Danke für das Gespräch!

Ihr Ansprechpartner

Martin Stanits

Martin Stanits

Leitung Public Affairs & Unternehmenssprecher E-Mail senden +43 1 5330952-20

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